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Meinung: Die Lösung steht am Himmel

Sonnenpolitik ist Sicherheitspolitik: Solange wir auf Öl setzen, wird es Kriege geben / Von Franz Alt

Henry Kissinger hat gesagt: „Öl ist viel zu wichtig, um es allein den Arabern zu überlassen.“ Die WeltEnergiekrise ist vorprogrammiert – mit und ohne Irak-Krieg. Mit dem Irak-Krieg kommt sie freilich schneller. Denn dieser wird wahrscheinlich zu einer Talibanisierung der Politik in Saudi-Arabien führen und somit zu einem Anstieg des Ölpreises. Osama bin Laden käme so mit Hilfe von George W. Bush seinem Ziel näher, den gesamten Nahen Osten zu destabilisieren und in Saudi-Arabien oder einem anderen Ölland ein fundamentalistisches Regime zu errichten. Sein Terrornetz verfügt heute über mehr Geld und Personal als vor eineinhalb Jahren. Der Terrorismus, der bekämpft werden sollte, ist heute wahrscheinlich gestärkt. Die CIA hat das herausgefunden. Gleichzeit werden Öl und Gas immer teurer: 1970 hatte ein Barrel Öl noch stark zwei Dollar gekostet, heute kostet er über 32 Dollar.

Wie lange reichen die Ressourcen? „Im Wesentlichen ist alles gefunden“, analysiert der Energieexperte Jörg Schindler von der Ludwig-Bölkow-Stiftung, der dazu für die Enquetekommission des Bundestags ein Gutachten verfasst hat. Das Öl reicht noch etwa 40 Jahre, das Gas 46 Jahre, Uran 60 Jahre und Kohle etwa 120 Jahre. Die Öl- und Gasreserven der USA auf heimischem Boden sind schon in wenigen Jahren erschöpft. Die ölabhängigste und am meisten energieverschwendende Gesellschaft braucht die großen Energiereserven im Nahen und Mittleren Osten als letzte Tankstelle – notfalls werden Kriege geführt. Der Golfkrieg vor 12 Jahren war ein Krieg um Öl. Der Afghanistan-Krieg ist auch ein Krieg um Öl und Gas in Kasachstan, Kirgisien und Aserbaidschan – um Pipelines durch Afghanistan und Pakistan hat die USA schon mit der Taliban-Regierung verhandelt. Und der drohende Irak-Krieg wird ebenfalls ein Krieg um Öl sein. Sonst gibt es keine „rationale“ Erklärung für diesen Krieg.

Ein Krieg treibt den Ölpreis in die Höhe. Je teurer aber das Öl, desto weniger Wirtschaftswachstum. 1970 betrug das Wirtschaftswachstum bei niedrigem Ölpreis in den G7-Staaten vier Prozent, heute bei teurem Öl noch ein halbes Prozent. Und Null-Wachstum bedeutet Massenarbeitslosigkeit, Wirtschaftskrise, Energiekrise, Klimawandel: Gibt es keinen Ausweg?

Erst wenn Millionen Menschen den Zusammenhang zwischen den genannten Krisen erkennen, bekommt die Alternative des Solarzeitalters mit einer solaren Kultur und einer solaren Weltwirtschaft ökonomische Strahlkraft und reale Chance. Die entscheidende politische Frage des 21. Jahrhunderts wird heißen: Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne. Die Sonne schickt uns täglich 15 000- mal mehr Energie als alle Menschen verbrauchen. Und das macht sie noch 4,5 Milliarden Jahre.

Zur direkten Energiegewinnung aus der Sonne kommen erneuerbare Energien aus Wind, Wasser, Erdwärme, Biomasse, Biogas, solarer Wasserstoff, Strömungs- und Wellenenergie der Ozeane. Um Öl wurden und werden Kriege geführt, nicht aber um die Sonne. Sie scheint für alle – für George W. Bush, für Osama bin Laden, für Saddam Hussein, für Gerhard Schröder und für Edmund Stoiber, für dich und mich. Die Volkswirtschaften müssten für die 100-prozentige solare Energiewende in den nächsten 30 bis 50 Jahren etwa zwei Prozent ihres Bruttosozialproduktes aufwenden. Versicherungen weisen darauf hin, dass die Folgekosten des fossil-atomaren Weges weit höher sind – vom Leid und Elend der von Krieg und Naturkatastrophen Betroffenen ganz abgesehen. Die Fluten des letzten Sommers waren nur Vorboten.

Wenn wir nicht rasch handeln, steht uns die vielleicht größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte bevor. Jetzt kommt es auf Taten an. Sonnenpolitik ist die neue Sicherheits- und Umweltpolitik. Sie ist Voraussetzung für Frieden. Energie ist nicht alles, aber ohne Energie ist alles nichts. Solange Bush diese Zusammenhänge ignoriert, muss er Kriege führen. Es ist kein Zufall, dass die Sonne in allen heiligen Schriften der Menschheit, in allen Religionen und Weisheitslehren ein göttliches Symbol ist. Die Lösung steht am Himmel. Bürger zur Sonne, zur Freiheit!

Franz Alt ist Journalist und Buchautor. Ihm antwortet in den nächsten Tagen Jeff Gedmin, Direktor des Aspen-Instituts.

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