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Wie nachhaltig ist die militärische Intervention? Ein französischer Soldat in Mali.

© dpa

Arabische Welt: Die Fanatiker haben wieder Tritt gefasst

Operationen ausländischer Armeen gegen Islamisten wie in Mali gleichen dem Stich in ein Hornissennest, sie scheuchen die Gegner erst richtig auf. Was die arabischen Länder brauchen sind langfristige Partnerschaften.

Die Kidnapper kamen aus Tunesien, Ägypten, Libyen und Algerien – Gewehre, Munition und Raketen stammten aus den Beständen libyscher Rebellen. Der Massenmord an der nicht-arabischen Belegschaft der Gasförderanlage von In Amenas im algerisch-libyschen Grenzgebiet war das Werk von Terroristen aus dem gesamten Norden Afrikas. Der Konflikt mit den islamistischen Radikalen ist damit direkt vor die Haustür Europas gerückt. Schon seit zwei Jahrzehnten zieht sich ein Gürtel zerfallender Staaten durch die Subsahara. Nun hat die innere Zerrüttung auch die Nationen Nordafrikas am Südrand des Mittelmeers erfasst. Überfahrten mit Schnellbooten in den Norden dauern von dort aus höchstens ein paar Stunden. Auch viele Förderanlagen für Gas und Öl liegen in dieser Region; von ihnen hängt Europas Energieversorgung ab.

Zwar kann eine Militärintervention wie jetzt in Mali unmittelbare Gefahren abwehren. Die langfristigen Erfolgsaussichten aber gegen die Gotteskrieger, die quer durch einen halben Kontinent vagabundieren, werden zunehmend geringer. Operationen ausländischer Armeen gleichen dem Stich in ein Hornissennest, sie scheuchen die Gegner erst richtig auf. Der erste Sündenfall war 1979 der sowjetische Einmarsch in Afghanistan. An seinen Folgen trägt die Welt noch heute. Später sammelte auch der Westen seine Erfahrungen in Afghanistan und im Irak. Und heute steht kaum einem Regierungschef noch der Sinn nach weiteren Militärabenteuern in der islamischen Welt - allen voran US-Präsident Barack Obama.

Gleichzeitig offenbart das Verbrechen von In Amenas eine neue, dunkle Rückseite der arabischen Volksaufstände. Ideologisch gehörte Al Qaida im Frühling 2011 zu den Verlierern. Bei ihren Tyrannenstürzen waren die vielen Demonstranten nicht getrieben von religiös-radikalen Ideen, sondern von dem Wunsch nach Freiheit, nach einem Leben in Würde und Selbstbestimmung. Zwei Jahre danach aber haben die Fanatiker wieder Tritt gefasst. Ganze Gebiete sind der staatlichen Kontrolle entglitten, Tonnen von Waffen wandern durch die Region, über alle Grenzen hinweg blüht der Schmuggel, während staatliche Sicherheitskräfte desorganisiert und demotiviert agieren. Im libyschen Bengasi ermordeten Radikale den US-Botschafter, diese Woche alarmierten die Europäer ihre Bürger, wegen einer Terrordrohung sofort aus der einstige Heldenstadt abzureisen. In Tunis starben vier Menschen beim Angriff eines salafistischen Mobs auf die US-Botschaft. Und auf dem Sinai kosteten mehrere Kommandounternehmen von Extremisten zwei Dutzend ägyptische Grenzer sowie zahlreiche israelische Opfer das Leben.

Neue Strategien im Umgang mit diesen Bedrohungen sind notwendig, auch wenn keine schnellen Erfolge zu erwarten sind. Denn ähnlich wie in Mali wurzelt auch in Tunesien, Libyen und Ägypten die anhaltende Staatskrise in vertrackten und lange aufgestauten Problemen – in Armut und Arbeitslosigkeit, einem überbordenden Bevölkerungswachstum sowie ethnischen Konflikten. In den vergangenen beiden Jahren hat die Euro-Krise einen Großteil der außenpolitischen Energie Europas gekostet. Und die Länder des Arabischen Frühlings sind viel zu weit aus dem Blick geraten. Sie brauchen entschiedenere Unterstützung als bisher, sie brauchen neue langfristige Partnerschaften und vor allem bessere wirtschaftliche Perspektiven. Dann werden auch sie ihren Weg finden zu mehr Stabilität und weniger Radikalität.

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