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US-Spionage: Der Cyberkrieg ist längst Alltag

Die Empörung der Politik in der Spionage-Affäre zeigt nur deren Hilflosigkeit. Daher lautet die Empfehlung: verbal abrüsten und digital aufrüsten. Deutschland muss mithalten können.

Als Ursula von der Leyen, die deutsche Verteidigungsministerin, vor Kurzem begründen sollte, warum Deutschland in die Entwicklung einer europäischen bewaffnungsfähigen Drohne einsteigen müsse, sagte sie einen Satz, der sehr tief blicken lässt. „Mir ist durch die NSA-Affäre noch einmal klar geworden, was es bedeutet, wenn man vor zehn bis 15 Jahren technologische Entwicklungen verschlafen hat und heute voller Bitterkeit feststellt, wie abhängig man von anderen ist.“ Die Schlüsselworte in diesem Satz heißen „verschlafen“ und „Bitterkeit“. Das erste deutet auf einen letztlich produktiven Erkenntnisprozess hin, das zweite auf eine anhaltend negative Gemütslage. Zusammengefasst lautet der Befund – hilflose Empörung.

Ein Grunddilemma

Die aktuellste Wendung in der Großaffäre NSA, dass nun wohl auch ein BND- Mitarbeiter von amerikanischer Seite abgeschöpft worden war, belegt erneut das Grunddilemma der deutschen Reaktion: Je lauter die Empörung der Offiziellen, desto deutlicher tritt deren eigene Hilflosigkeit zutage. „Jetzt reicht’s auch einmal“, „Vertrauensbruch“, „volle Aufklärung“, „Konsequenzen“ – jeder Wutschnaub weist nur ins Vage, denn konkret gibt es rein gar nichts, womit die Deutschen den Amerikanern drohen könnten. Diese wiederum denken nicht im Traum daran, etwa ein „No-spy-Abkommen“ abzuschließen, das ihren Geheimdiensten Fesseln anlegen würde.

Was also tun, wenn aus der schleichenden keine galoppierende Entfremdung werden, der Antiamerikanismus weder blühen noch gedeihen und die Notwendigkeit der Westbindung so zweifelsfrei feststehen soll, wie es die deutsche Nachkriegsgeschichte schon immer gebot? Schließlich kennt die Realpolitik zu einem engen transatlantischen Bündnis keine erfolgversprechende Alternative. Beide Seiten bleiben auf die enge Zusammenarbeit ihrer Geheimdienste angewiesen, da die Terrorgefahr eher zu- als abnimmt – siehe die heimkehrenden Dschihadisten aus Syrien und dem Irak. Beide Seiten profitieren von ihren Wirtschaftsbeziehungen. Amerika und Deutschland, das wissen Barack Obama und Angela Merkel genau, brauchen einander. Ein zerrüttetes Verhältnis wäre ein globales Sicherheitsrisiko.

Cyberkrieg ist Alltag

In der globalen Welt indes ist der Cyberkrieg längst Alltag. Hacker legen ganze Länder lahm, spionieren bei Rüstungsunternehmen, sabotieren Infrastrukturen. Ob China, Russland, Israel, Großbritannien, Frankreich oder eben die USA: Sie alle mischen da mit, teils aggressiv, teils geheim. Als einzige Sünde gilt, erwischt zu werden. Jonathan Pollard, der 1987 in den USA wegen Spionage für den israelischen Geheimdienst zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, sitzt trotz flehentlicher Gnadengesuche durch Jitzhak Rabin und Benjamin Netanjahu bis heute hinter Gittern. Tangiert das die amerikanisch-israelischen Beziehungen? Nein, die sind eng geblieben.

Die Lehre daraus für den deutschen Umgang mit der NSA- und BND-Agenten-Affäre kann daher nur lauten: verbal abrüsten und digital aufrüsten. Empörung, die ins Leere läuft, entlarvt sich schnell als lächerliche Geste des Überschäumens. Stattdessen sollten die Anstrengungen verdoppelt werden, auch geheimdienstlich den Anschluss an die technologischen Möglichkeiten des digitalen Zeitalters zu finden. Erst wenn der BND fähig ist, zum Beispiel mit der NSA auf Augenhöhe zu kommunizieren, wird Deutschland in dem Maße ernst genommen, wie es sich jetzt düpiert fühlt. Verschlafen und bitter? Nie wieder!

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