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Berliner Gemäldegalerie: Der Bildersturm

Im Kulturkampf um die Gemäldegalerie sind den Museumsplanern die Prioritäten durcheinandergeraten. Dabei ließe sich die Fieberhitze der Debatte leicht senken

Es tobt ein Kulturkampf, nicht nur in Berlin. Das starke Wort ist keines zu viel: angesichts der Aufregung um die Zukunft der Berliner Gemäldegalerie. Kulturpolitische Pläne, die Museumslandschaft der Hauptstadt neu zu ordnen, erregen Kunsthistoriker, Kunstfreunde und Kunstkritiker im In- und Ausland, weil die Zukunft der Gemäldegalerie als ein Juwel unter den internationalen Pinakotheken plötzlich ungewiss erscheint. Und diese Ungewissheit ist tatsächlich der Skandal.

Die Gemäldegalerie zeigt ihre gut tausend aus noch größerem Bestand ausgewählten Meisterwerke vom Mittelalter bis zum Barock in einem erst 1998 für sie erbauten Haus am sogenannten „Kulturforum“. Das Haus ist innen wunderschön, aber die Adresse eine städtebauliche Wüste und mangels Erkennbarkeit (und Außenwerbung) kaum zu finden. Das will die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) bekanntlich ändern und die Gemälde zusammen mit der Skulpturensammlung des Bode-Museums dort sowie in einem künftigen Erweiterungsbau auf und bei der vielbesuchten Museumsinsel zum „Berliner Louvre“ vereinen.

Das wäre eine Chance. Und ist an sich auch kein Skandal. Nur gibt es für dieses wohl 200 Millionen Euro teure Projekt bisher weder Geld noch einen ausgeschriebenen Architektenwettbewerb, es ist ein Luftschloss, viel luftiger als das immerhin beschlossene „Humboldtforum“ in der Teilhülle eines Altneuberliner Stadtschlosses. Trotzdem soll die Gemäldegalerie bald ausziehen.

Hier wird das Pferd jetzt mit dem Schwanz aufgezäumt. Wegen einer dreijährigen Sanierung des Mies van der Rohe-Baus der Neuen Nationalgalerie soll diese ab 2015 in das entsprechend umgerüstete Haus der Gemäldegalerie ziehen, das dann zusammen mit der Berlin geschenkten Kollektion klassischer Moderne des Sammlerehepaares Pietzsch zu einem erweiterten Museum des 20. Jahrhunderts wird.

Der Plan hat Charme. Aber er kann vernünftigerweise erst verwirklicht werden, wenn die Gemäldegalerie ihrerseits das neue Quartier bei der Museumsinsel bezieht. Doch das sieht die Preußenstiftung anders. Man möchte die Gemäldegalerie zwischenlagern und in wechselnden Teilen „verdichtet“ im kleineren Bode-Museum zeigen. Bis irgendwann der große „Masterplan“ der Museumsinsel geändert, die 200 Millionen beschafft und der Neubau einer Pinakothek realisiert sind. Für das Provisorium hält SPK-Präsident Hermann Parzinger einen Zeitraum von bis zu 10 Jahren für tolerabel. Ähnlich denkt auch Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz, der in der „Zeit“ von einem „vorübergehenden Verlust“ sprach. Schmitz hofft wie Parzinger, „dass die Abwesenheit von Botticelli und Rubens, Tizian und Dürer so viel Druck aufbaut“, dass die Politik für Geld und den Neubau der Gemäldegalerie schon sorgen werde. Wohlgemerkt: in einer Zeit der Finanzkrise, eines Schlossplans ohne Etat für die Kuppel und einer Infragestellung der Berlinsubventionen durch wahlkämpfende Bayern.

Für diesen „Druck“ ein Weltmuseum zwischenzeitlich zu beschädigen – in dem es wegen seiner einzigartigen Klasse nichts zu „verdichten“ gibt – das geschieht nach Art des sich missachtet fühlenden Kindes: Ich stelle mich in der Winternacht ans offene Fenster und will meine Eltern mal sehen, wenn ich eine Lungenentzündung kriege!

Die Fieberhitze der jetzigen Debatte mit all ihren Untertönen eines angeblichen Konflikts „Moderne Kunst versus Alte Meister“ ließe sich leicht senken. First things first. Unmittelbar betroffen ist die Neue Nationalgalerie von der bevorstehenden Sanierung des Mies-Baus. Also sollte man vor dem Hazardspiel mit noch ungesicherten Rochaden nach bereits bestehenden Ausweichquartieren Ausschau halten. Attraktiv für die klassische Moderne wäre zum Beispiel das Kronprinzenpalais Unter den Linden. Von 1919 an hatte Berlin dort das weltweit erste Großmuseum für zeitgenössische Kunst – das die Nazis ab 1933 zerschlugen. Hier also wäre auch eine geschichtliche Anknüpfung möglich.

Wunderbar, wenn die Gemäldegalerie mit jährlich 800 000 statt jetzt 250 000 Besuchern als Herzstück der Berliner Kunstsammlungen einst an die Museumsinsel andocken würde. Aber kein Auszug ohne Einzug.

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