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Finanzkrise: Den Kapitalmarkt vom Monster zum Maß zähmen

Bundespräsident Horst Köhler will die außer Kontrolle geratenen Finanzmärkte mit ihrer Gier nach immer höheren Renditen zur Vernunft bringen. Doch der Weg zurück zum normalen Maß ist lang. Er kann nur gelingen, wenn alle Staaten und Anleger präsidiale Vernunft und gesunden Menschenverstand walten lassen.

Bundespräsident Horst Köhler redet nicht wie der Blinde von der Farbe, wenn er sich zu den Turbulenzen des Finanzmarktes äußert. Immerhin war der Mann mal Präsident des Sparkassenverbandes und Chef des Internationalen Währungsfonds, kennt also die Risiken und möglichen Verwerfungen des globalen Geldgeschäfts. Bereits im Mai, als längst offenkundig war, dass die Investmentbanken in den vergangenen Jahren mit der weltweiten Veräußerung wild zusammengewürfelter Kredit- und Forderungspakete ein viel zu großes Spekulationsrad gedreht hatten, forderte er dazu auf, die außer Kontrolle geratenen „Monster“ des Kapitalmarkts mit ihrer Gier nach immer höheren Renditen zu zähmen. Und fing sich aus den Chefetagen deutscher Banken dafür Prügel ein.

Jetzt, wo angesichts weltweit trudelnder Börsenkurse in den Bankpalästen die Furcht vor dem abrupten Exitus das Gros der Manager nahezu paralysiert und verschreckte Bürger um ihr Erspartes fürchten, meldet sich der Präsident wieder zu Wort. Auch diese Krise, so Köhlers beruhigende Botschaft, sei beherrschbar. Allerdings müssten die Wirtschaftseliten wieder lernen, „was Maß und Mitte ist, was Bodenhaftung bedeutet“. Dass Umsatzrenditen von zwanzig und mehr Prozent – und damit verknüpfte millionenschwere Bonuszahlungen – mit „normalen“ Geschäften und ihren überschaubaren Risiken nicht zu erzielen sind, liegt aus Sicht des Präsidenten auf der Hand.

Mit dieser Einschätzung steht Köhler nicht allein. So meldete sich in dieser Woche der Versicherungsriese Münchener Rück ebenfalls mit einer bemerkenswerten Stellungnahme zu Wort: Die Krise müsse dazu führen, dass die Risiken der Finanzbranche anders bewertet werden. Damit einhergehend müssten die Märkte auch ihre Renditeerwartungen wieder „auf ein vernünftiges Maß“ reduzieren.

Natürlich war die Gier nach immer höheren Renditen (und Bonuszahlungen) in den Investmentbanken der entscheidende Treibsatz für die Entwicklung der vermeintlich so „innovativen“ Finanzprodukte, mit denen US-Ramsch-Hypotheken ebenso wie wackelige Kreditkarten- oder Autoleasing-Forderungen trickreich gebündelt rund um den Globus verstreut wurden. Von diesem „Mehr und immer Mehr“ getrieben waren allerdings auch diejenigen, die wie die Mehrheit der deutschen Landesbanken diese Papiere auf Pump und ohne Eigenkapitalabsicherung übernahmen – weil auch sie zunächst daran prächtig verdienten und weil sie von ihren Eigentümern aus der Politik getrieben wurden, der Renditesteigerung des Branchenprimus Deutsche Bank nachzueifern. Weshalb ja auch die deutsche Finanzpolitik unter Federführung des heutigen Finanzstaatssekretärs den Weg für die Zulassung gerade jener neuen Finanzprodukte geebnet hatte, deren Transparenz sie erst jetzt wortmächtig einfordert.

Der Weg zurück zum normalen Maß wird lange dauern. Und er kann auch nur gelingen, wenn die Staaten allesamt – am besten in den von ihnen geretteten Instituten als Miteigentümer – darauf achten, dass die Liquidität, die sie den Banken jetzt zur Verfügung stellen, nicht erneut in abenteuerlichen Finanzkonstrukten landet, sondern zur Begleichung der milliardenschweren Altlasten eingesetzt wird. Und wenn auch die Anleger – vom großen Pensionsfonds bis hin zum Kleinsparer – bei ihren Gewinnerwartungen präsidiale Vernunft und gesunden Menschenverstand walten lassen.

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