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Kein Befreiungsschlag: Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Bayrischer Staatsminister für Wirtschaft, bei einem Statement am Donnerstag.

© dpa/Peter Kneffel

Aiwangers Flugblatt-Affäre: Es gibt noch mehr als 25 Fragen

Bayerns Vize-Ministerpräsident ist nicht der einzige, der Antworten zu einem Neonazi-Pamphlet schuldet. Aufzuklären ist auch, wer davon gewusst hatte und wie es in die Öffentlichkeit kam.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Im Ranzen des Schülers Hubert Aiwanger steckte einst ein Papier, das den erfolgreichen Politiker der Partei „Freie Wähler“ mehr als 30 Jahre später die Karriere kosten könnte und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) seine Koalition.

Es ist eine menschenverachtende neonazistische Schmähschrift und als solche ein Dokument ihrer Zeit. Ein Schüler macht sich darin offenkundig über einen Geschichtswettbewerb lustig, wie er in jenen Jahren, gerade in Bayern, für Kontroversen sorgte.

Daneben gibt es Auskunft über den Charakter jener, die dergleichen für witzig oder provokant hielten und keinerlei Empfinden hatten, wie widerwärtig es war – auch damals schon.

Das Papier befindet sich mit Recht in der politischen Diskussion, und der, der es in der Tasche hatte, soll nun nach dem Willen Söders 25 Fragen beantworten. Es muss ihm besser gelingen, als seine holprigen Einlassungen es bisher zu erkennen geben.

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Das Papier wurde gezielt in die Öffentlichkeit gespielt

Es gibt aber noch mehr Fragen. So war Aiwanger seinerzeit minderjähriger Schüler an einer staatlichen Schule, unterrichtet von beamteten Lehrern, die ihren gesetzlichen Bildungsauftrag wahrnahmen. In diesem Rahmen ist das Papier in ihren Besitz gelangt und dort – mutmaßlich – in einer Weise weiter verwaltet worden, dass es Jahrzehnte später – pünktlich zu einer Landtagswahl – mit publizistischem Aplomb in die Öffentlichkeit gespielt werden konnte.

Dazu würde man mehr wissen wollen, denn auch darum darf es Diskussionen geben. So soll Medienberichten zufolge Aiwangers politisch-historisch engagierter früherer Deutschlehrer eine Rolle dabei spielen, der nach Worten, die ihm zugeschrieben werden, die „braune Socke jetzt stürzen“ wollte.

Es kann allerdings nicht Aufgabe aktiver oder pensionierter Lehrer sein, mit einst dienstlich erlangtem Material ehemalige Schüler zu stürzen, wenn diese als Politiker in hohe Ämter kommen. Es wirkt wie ein Missbrauch ihrer Schutzpflicht.

Zudem wird jetzt berichtet, Aiwangers potenzielle Erpressbarkeit sei schon seit vielen Jahren Thema in der Region, möglicherweise auch in Kreisen der CSU. Was wussten welche Beteiligten? Und wenn sie wenig wussten – warum haben sie nicht mehr wissen wollen?

Das alles mildert die Vorwürfe gegen Aiwanger nicht. Es gehört aber in die öffentliche Diskussion und es gehört zur Abwägung, ob ein Ministerpräsident seinen Stellvertreter entlassen muss. Denn ein Teil der bayerischen Wähler könnte angesichts solcher Vorgeschichten das Gefühl bekommen, hier werde weniger Aufklärung betrieben als eine Kampagne intoniert, und dass Aiwanger recht haben könnte, wenn er dies beklagt. Und das kann eigentlich niemand wollen.

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