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Alice Weidel, Fraktionsvorsitzende der AfD, steht neben Tino Chrupalla, AfD-Bundesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD.

© dpa/Michael Kappeler

Unmut über die Ampel: Nur besseres Handwerk kann die AfD stoppen

Die Ampel-Koalition arbeitet Probleme nicht ab, die Union ist auch keine Hilfe – der Unmut wächst, die Wähler wenden sich der AfD zu. Was helfen würde: politische Kärrnerarbeit nah am Alltag der Menschen.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Bald jede Woche wird das Schreckensszenario größer, nur sticht es in der Nachrichtenflut nicht täglich so heraus: die AfD. Laut Umfragen sehen immer mehr Menschen in Deutschland in der Alternative ihre Alternative. Und sie geben es jetzt auch offen und öffentlich zu, im Gegensatz zu früheren Zeiten. Das illustriert den Schrecken.

Nicht mehr lange, und die Proteststimmung wird sich über Umfragen hinaus in Wahlergebnissen niederschlagen. Thüringen, Sachsen, Brandenburg, im kommenden Jahr wird dort gewählt. Jüngste Erhebungen zeigen: Die AfD ist weiter auf dem Vormarsch, bisher ungestoppt. Wäre am nächsten Sonntag in den Ostländern Bundestagswahl, gewänne die „Alternative für Deutschland“ dort 35 von 49 Mandaten direkt.

Warum ist das so, und was können die anderen Parteien dagegen tun?

Es ist so, weil die sogenannten Etablierten der AfD Wähler:innen gewissermaßen zutreiben. Als erstes die Ampel-Regierung. Die Unstimmigkeiten umfassen praktisch die gesamte politische Bandbreite. Gemeinsam geht wenig. Der Umgang mit Migration bei anschwellenden Flüchtlingsströmen, das Umsteuern beim Klima – nur zwei Themen von einer Liste, die sich gefühlt jeden Tag verlängert.

Was dazu führt, dass die AfD gar nichts tun muss – was sie tut –, um von einer Stimmung gegen die gerade im Amt Befindlichen zu profitieren. Der Rückhalt für die Ampel schwindet dramatisch, entsprechend steigt der für die Rechtspartei.

Die Kanzlerpartei, die SPD, steht so niedrig in der Beliebtheit wie keine zuvor, die Grünen rauschen in den Keller, die FDP kämpft mal gegen den einen, mal den anderen „Partner“, um ihr Profil zu schärfen; es soll der Lindner-FDP auf keinen Fall so ergehen wie vor zehn Jahren der Westerwelle-FDP, die aus dem Parlament flog.

Eine rechte Alternative zur AfD gibt es nicht

Die Union als größte Formation in der Opposition ist an dieser Stelle auch nicht von großer Hilfe. Sie bietet den Menschen, die Protest üben wollen, keine rechte Alternative; zu wenig kommt von ihr auch an Inhalten, die etwa das Terrain Mitte-rechts besetzen würden. Wäre es anders, hätte die Union längst dauerhaft die 30 Prozent überschritten, wo doch so extrem viele mit den Leistungen von Rot-Gelb-Grün unzufrieden sind.

Nur wenn die Koalition verbindlich wird, in jeglicher Hinsicht, wird sie den Auftrieb der AfD beenden.

Stephan-Andreas Casdorff

Die allgemeine Unzufriedenheit wird darum wohl erst dann geringer werden, wenn die sachpolitischen Probleme aufgelöst sind. Das ist vordringlich. Substanz entscheidet. Wo die Menschen unverändert unter den Kosten der Preissteigerung leiden oder unter eklatantem Wohnungsmangel, wo sie jetzt in der gesamten Breite der Gesellschaft Heizungsverbote fürchten, wächst kein Zutrauen in die Verantwortlichen.

Umgekehrt wird daraus der Regierungsauftrag. Nur wenn die Koalition verbindlich wird, in jeglicher Hinsicht, wird sie den Auftrieb der AfD beenden. Verbindlich zu sein bedeutet am Beispiel Heizungsthema: Geduldig jeden Schritt und jede Notwendigkeit der Veränderung zu erklären; und jede Veränderung im Blick auf die Regierten dergestalt sozial zu unterlegen, dass sich möglichst wenige noch benachteiligt oder übersehen fühlen. Kärrnerarbeit entfaltet dann ihren eigenen Wert.

So wird schnell jeder Tag zum Kampf: voran gegen die Neigung zu denken, dass das in der eigenen Blase Gedachte doch von jedem außerhalb sofort verstanden werden muss. Dass alles gewissermaßen selbsterklärend sei. Ist es nicht, wie sich zeigt. Nicht einmal Untergangsszenarien beenden die Debatte.

Ideologien oder das, was als solche empfunden wird, finden zunehmend weniger einen Platz. Die Warnung ist klar: keine Arroganz, keine Bevormundung. Wer seine Politik schlicht autoritär durchsetzen will, gewinnt nichts dabei, sondern verliert an inhaltlicher Autorität. Und provoziert noch dazu eine Gegenbewegung. Der Alltag der Menschen muss der oberste Maßstab sein.

Dem Volk aufs Maul geschaut verlangt nicht, ihm nach dem Mund zu reden – aber volksnäher zu handeln. Das gehört zu gutem politischem Handwerk. Und in besserem Handwerk, bei Gesetzen wie Strategien, liegt die Chance, die AfD zu stoppen.

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