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Wickert

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Medienkritik: Wickert zieht über ARD- und ZDF-Redakteure her

Schelte von prominenter Stelle: Ex-"Tagesthemen"-Moderator Ulrich Wickert hat ARD und ZDF in scharfer Form gerügt, weil sie in seinen Augen nicht genug auf Nachrichten, sondern zu stark auf Unterhaltung setzen.

Er habe sich als ehemaliger Nachrichtenmoderator lange zurückgehalten, weil er nicht wie ein Besserwisser mit erhobenem Zeigefinger wirken wolle, schrieb Wickert in einem Gastbeitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom Donnerstag. "Aber seit einiger Zeit rumort der Gedanke in mir, es ist viel schlimmer, und das gilt nicht nur für die Texte." Es fehle nicht nur an einem Sinn für die Verbreitung wichtiger, aktueller politischer Inhalte, sondern auch an Einordnung.

Wickert warf den Autoren von "Tagesschau", "Tagesthemen", "heute" und "heute-journal" vor, zum großen Teil nicht einmal mehr den korrekten Satzbau zu beherrschen. "Häufig streuen sie Substantive wie grobes Meersalz zwischen kurze Sätze." Er frage sich, warum die Redaktionschefs die sprachliche Verlotterung durchgehen lassen.

Inhaltlich warf der 66-Jährige den Verantwortlichen einen zu starken Hang zur Unterhaltung statt Information vor. "Den Machern scheint das Bewusstsein für ihren öffentlich-rechtlichen Auftrag, für eine Grundversorgung politischer Information zu sorgen, abhanden gekommen zu sein." So habe er sich "wirklich geärgert", dass in keiner der Nachrichtensendungen je das neue Bundeskabinett vollständig vorgestellt worden sei. "Das kann heute wohl keiner mehr verlangen." Obwohl die Zusammensetzung am Freitag, den 23. Oktober festgestanden habe, sei das vollständige Kabinett am selben Abend noch nicht mal in einer der Nachrichtensendungen gemeldet worden.

"Es fehlt offenbar an einem Verständnis für die politische Grundversorgung", schrieb Wickert weiter. Als Beleg verglich er die Berichterstattung über den zwanzigsten Jahrestag des Mauerfalls von ARD und ZDF mit der Berichterstattung des französischen Senders France 2. France 2 habe die Gedenkfeiern am 9. November so bedeutend gefunden, dass es schon nachmittags eine Stunde lang in einer Sendung mit Ex-Außenminister Roland Dumas über den Auftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Bornholmer Straße berichtet habe. In der ARD sei gleichzeitig die Sendung "Sturm der Liebe" gelaufen. Das ZDF habe zwar auch gesendet, aber den "für ein solches Ereignis wirklich nicht geeigneten Thomas Gottschalk ans Mikrofon" gelassen.

Wickert griff auch Moderatoren persönlich an. So habe ARD-Mann Frank Plasberg beim Duell vor der Bundestagswahl zwischen Merkel und ihrem damaligen Herausforderer Frank-Walter Steinmeier "wohl bewusst" ohne Krawatte moderiert. Dies zeige mangelnden Respekt gegenüber der Kanzlerin und ihrem damaligen Außenminister. "Kürzlich sah ich ihn doch mit Schlips moderieren, aber das war ja auch eine sehr wichtige Unterhaltungssendung."

Wickert war von 1991 bis 2006 Moderator der "Tagesthemen" und wurde für seine journalistische Arbeit und als Buchautor mit mehreren Preisen ausgezeichnet. (smz/AFP/dpa)

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