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Kultur: Zurück in den Süden

Pathosrock und Heimwehballaden: Das fünfte Album der Kings of Leon

Landeier bleiben Landeier. Da hilft auch keine Weltkarriere. Wer wie die vier Followills tief im Süden der USA aufgewachsen ist, wird sich in Großstädten nie richtig zu Hause fühlen. Mag New York für viele ein Sehnsuchtsort sein, Sänger Caleb Followill fand es einfach nur „deprimierend“, in den dortigen Avatar Studios das fünfte Kings-of-Leon-Album aufzunehmen. Täglich zwölf Stunden in Räumen ohne Fenster eingesperrt zu sein habe sich angefühlt, wie in einem Büro zu arbeiten.

Und so ging der Plan, ein wenig New Yorker Ruppigkeit auf die Platte zu übertragen, gründlich daneben. Die Stadt ist quasi unsichtbar auf „Come Around Sundown“, dafür kann man das Heimweh des Quartetts aus Nashville deutlich spüren. Gleich im ersten Stück singt Caleb Followill „I ain’t got a home/I forever roam“ und in der atmosphärischen Mid-Tempo- Nummer „The Face“ heißt es: „If you give up New York/ I give you Tennessee/The only place to be“. Majestätisch schraubt sich der Song anschließend in die Höhe, als wollte er die neue Hymne des Followill-Heimatstaates werden.

Sogar eine Bluegrass-Nummer hat die Band im Programm: „Back down South“ wird von Fiddel und Akustikgitarre begleitet und ist um ein Lap-Steel-Motiv herumgebaut. Nach dem Finale mit Familienchor und rhythmischem Klatschen wird gejohlt und gelacht. Es klingt als säßen die Musiker auf der Veranda ihrer Farm und spielten zum Feierabendbier auf. Hier lassen die Kings of Leon tatsächlich einmal locker, zeigen Freude statt Pathos. Das kennt man so von ihnen nicht, doch es steht ihnen gut.

Vielleicht wäre es tatsächlich spannender gewesen, die Gruppe hätte sich getraut, Calebs Wunsch ein Country-Album zu machen, in die Tat umzusetzen. Doch er wurde von seinen Brüder Nathan und Jared und Cousin Matthew überstimmt. Die wollten anschließen an den Erfolgssound des letzten Albums. „Only By The Night“ hatte die Band vor zwei Jahren in eine neue Dimension katapultiert: Es wurde mehr als sechs Millionen Mal verkauft, sprang in mehreren Ländern auf Platz eins der Charts, gewann Platin-Auszeichnungen, Grammys und endlich auch die Herzen der amerikanischen Fans.

In Europa wurden die Kings of Leon schon seit ihrem Debüt „Youth And Young Manhood“ (2003) bejubelt. Ihr charmanter Seventies-Rumpelrock mit Blues- und Boogie-Spurenelementen brachte der sehr jungen Gruppe damals den Beinamen „Southern Strokes“ ein. Von der New Yorker Konkurrenz gibt es allerdings seit vier Jahren kein neues Album, und auch die Solo-Aktivitäten von Julian Casablancas und Co. zündeten nicht recht. Die bodenständigen Predigersöhne, die sich nach ihrem Vater und Großvater benannt haben, sind mittlerweile an den Strokes vorbeigezogen. Beharrlich haben sie sich weiterentwickelt, sind besser an ihren Instrumenten geworden und souveräner auf der Bühne. Wirkten die langmähnigen Bürschchen vor sieben Jahren bei ihrem ersten Berliner Auftritt noch wie eine schüchterne Schülercombo, die ihre Instrumente fast unter dem Kinn trug, ziehen sie jetzt in Mega-Arenen eine lässige Show ab. Und Jared Followill, mit 23 Jahren der Jüngste in der Band, spielt seinen Bass mittlerweile fast auf Kniehöhe.

Ihren Sound haben die Kings of Leon immer weiter vom Scheppern der frühen Tage weggeführt. Stadionrock hieß das Ziel, das sie seit ihrem dritten Album ansteuerten und das sie dann mit viel Hall und Pathos auf „Only By The Night“ auch erreichten. Jetzt waren sie nicht mehr die „Southern Strokes“, sondern eher die „Southern U2“.

Hier knüpft das Quartett nun an, ohne jedoch so überzeugende Songs wie „Use somebody“ oder „Sex on Fire“ zu produzieren. Die erste Single „Radioactive“ kommt diesen Hits mit dem The-Edge-haften Picking und dem alarmistischen Geheule im Refrain noch am nächsten. Ansonsten macht sich häufig Bräsigkeit und Ziellosigkeit breit. In „Beach Side“ etwa zerrt die Rhythmussektion in Richtung Sixties Soul, doch die Gitarre will lieber, dass der Song eine Kitschpostkarten-Ballade wird – und setzt sich durch. Immerhin passt dazu das Albumcover, das zwei Palmen im Sonnenuntergang zeigt.

„Come Around Sundown“ – wie der Vorgänger von Jacquire King und Angelo Petraglia produziert – mangelt es sicher nicht an Ideen, nur wollen sie sich selten in ein überzeugendes Ganzes fügen. Das Bassspiel von Jared Followill ist beeindruckend melodiös und drängt zu Recht oft in den Vordergrund. Auch Schlagzeuger Nathan Followill hat seine Fähigkeiten inzwischen so verfeinert, dass nichts mehr an den trockenen Knüppler aus der Anfangszeit erinnert. Nur Caleb Followill, der fast alle Texte spontan improvisierte, findet kaum noch zu diesem brüchig-verletzlichen Ton, der seinen Gesang immer ausgezeichnet hat. Jetzt wird er einfach nur noch laut. Doch was hilft es, wenn kaum ein Song im Kopf hängen bleiben will?

Nahe Nashville baut Caleb Followill gerade ein Haus. Wenn es fertig ist, sollte er die anderen Kings einmal zum Jammen auf die Veranda einladen. Es könnte eine befreiende Wirkung haben. Und vielleicht steigen sie ja dann doch noch auf seine Idee mit der Country-Platte ein.

„Come Around Sundown“ ist bei Sony erschienen.

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