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Die perfekte Welle. Oodi setzt auch architektonisch Akzente.

© Walter van Hoof

Zentralbibliothek von Helsinki: 3D-Druck in Omas Wohnzimmer

Oodi, die neue Zentralbibliothek von Helsinki, ist ein Treffpunkt für alle Bürger. Auch Obdachlose bekommen hier Computerzugang. Ein Rundgang.

Was für ein Geschenk! Zum 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Finnlands bedachten die Stadt Helsinki und der Staat ihre Bürger mit einem Traum von einer Bibliothek – die dann in einem offenen Wettbewerb den Namen „Oodi“ erhielt: eine Ode an den Gemeinschaftssinn, die Literatur, die Kultur im Allgemeinen. „Oodi ist wie die Wohnung Deiner Großmutter. Da benimmst du dich und kennst die Spielregeln“, sagt Samu Eeve von der Bibliothek. Seit 1998 hatte man über eine Zentralbibliothek diskutiert. „Die Bürger Helsinkis wurden immer einbezogen. Was wollt Ihr? Was ist Euer Traum von einer Bibliothek?“, erzählt Eeve. 2015 war Baubeginn, im Dezember 2018 wurde eröffnet (Mehr im Internet: oodihelsinki.fi).

Allein an den beiden ersten Tagen kamen 55 000 Besucherinnen und Besucher; inzwischen haben rund eine Million den eleganten Bau des finnischen Büros ALA Architects genutzt. Zur Straße hin fügt er sich mit seiner Glasfront in die Flucht der angrenzenden Neubauten ein. Doch wer um die spitze Ecke biegt und den noch Form gewinnenden Citizen Square betritt, dem stockt der Atem.

Mit kühnem Schwung wölbt sich der Bau im oberen Teil nach vorne, um dann unten wieder den „Bauch einzuziehen“. So wird ein Teil des neu entstehenden Platzes überdacht, den die Bürger sofort für Demonstrationen und Konzerte nutzten. Die helle, lebendige Holzfassade steht in starkem Kontrast zu der zum Teil seelenlosen Schuhkartonarchitektur der 1960er- und 70er-Jahre, die das nahe Stadtzentrum prägen. Nur das Erdgeschoss und das dritte Stockwerk sind verglast; das Dach scheint in einer Wellenbewegung zu fließen.

Im Eingangsbereich befindet sich neben der Buchrückgabe, einem Café und einem Restaurant auch ein Infostand der Stadt, an dem Besucher etwas über Arbeit, Wohnen und Leben in Helsinki erfahren können. Gleich nebenan liegt der Stand „Europa Experience“, der über die Europäische Union Auskunft gibt.

Man wird zur Kreativität herausgefordert

Über eine Rolltreppe gelangt man in das zweite Geschoss, den „Urban Workshop“. Wie im Zwischendeck eines alten Segelschiffes fühlt es sich dort an. Stützpfeiler dominieren den relativ niedrigen Raum, in dem Besucher auf drei Ebenen sitzen können. Die Leute lesen, schreiben am PC oder unterhalten sich. Auch ein paar Roma sind unter ihnen, die sich ausruhen. „Das hat am Anfang Diskussionen gegeben“, erzählt Eeve, „aber Oodi ist ein Ort für alle. Wir weisen niemanden ab und arbeiten mit einem Verein zusammen, der sich um die Roma kümmert.“ Auch Obdachlose kämen vorbei und nutzten den „Urban Workshop“, um am Computer Dinge zu erledigen. Sogar 3D-Drucker kann man stundenweise mieten und zahlt nur das Material. An Großformatdruckern können Poster bis zum Maß DIN A0 ausgedruckt werden; ein Meter kostet 15 Euro. Dieser Werkstattbereich habe schon in einem anderen städtischen Gebäude existiert, berichtet Samu Eeve, er sei nun auf vielfachen Wunsch ins Oodi umgezogen. Ein Foto- sowie ein Game-Studio gehören ebenfalls zum Angebot. Man wird förmlich zur Kreativität herausgefordert.

Gemütlich geht es in der Bibliothek zu.
Gemütlich geht es in der Bibliothek zu.

© Rolf Brockschmidt

Bücher gibt es im dritten Stock in einer beschwingten Wohnzimmerlandschaft mit Pflanzen, Teppichen, Sesseln und einer riesigen Spielecke – umgeben von den Regalen mit Kinderbüchern. Wer hier mit Mantel und Rucksack durchgeht, wird nicht zurückgepfiffen. Kinderwagen parken an der Wand; die Eltern sitzen auf Sofas und schauen den Kleinen beim Spielen zu. 106 000 Objekte sind ausleihbar, davon 86 000 Bücher; der Rest sind Filme und Spiele. Es gibt ein Café am Rande der Regale, ein Balkon lockt in die Sonne. Die gewölbte Decke dämpft den Schall. Obwohl der Raum riesig ist, herrscht eine heimelige Atmosphäre. „Book Heaven“ nennt das Oodi selbst sehr treffend diesen Ort.

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