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Schwedenpower. Mitglieder des Ensembles O/Modernt im Konzerthaus.

© Mutesouvenir/Kai Bienert

Young Euro Classic: Mit Affentempo in den Sommer

Young Euro Classic: Das Orchester O/Modernt aus Schweden gastiert mit einem Programm von Beethoven bis Bowie.

Nach dem ersten Satz von Beethovens Streichquintett spielen die Musiker vom O/Modernt Orchester den zweiten. Leises Aufatmen. Ganz selbstverständlich war das nicht. Pianist Daniel Xia hat kurz zuvor nach dem Allegro von Beethovens 17. Klaviersonate d-Moll, bekannt als „Der Sturm“, einfach aufgehört. Ohne Ankündigung, ohne Erklärung. Etwas unheimlich dabei: Das Publikum jubelt ihm zu, als sei es eingeweiht. Nach einigem Grübeln die Erkenntnis, dass das Programm wohl gestrafft werden musste. Und den meisten Besucher dieses Young- Euro-Classic-Abends im Konzerthaus nicht klar zu sein scheint, dass eine Klaviersonate drei Sätze hat. Weil sie wohl zum ersten Mal da sind. Was ja schon wieder was Gutes ist.

Trotzdem fühlt man sich um das legendäre sechzehntelgetriebene Finale betrogen. In dem Satz, den Xia tatsächlich spielt, spreizt er die – in der Partitur angelegten – Kontraste von raschen und langsamen Passagen fast bis ins Unerträgliche, ohne das restlos klar würde, warum. Es muss mit dem Anspruch des schwedischen Kammerorchesters zu tun haben, Meister wie Beethoven, dabei Harold Blooms “A Map of Misreading“ folgend, bewusst fehlzulesen, um daraus einen eigenen Stil zu entwickeln, sich quasi freizuschwimmen.

Der große Saals des Konzerthauses eignet sich nicht für Kammermusik

Klingt spannend. Das klangliche Ergebnis enttäuscht aber. Im Streichquintett, dem einzigen, das Beethoven geschrieben hat, hat das auch räumliche Gründe: Der große Saal des Konzerthauses erweist sich einmal mehr als ungeeignet für Kammermusik. Die fünf Streicher unter der durchaus prägnanten Führung von Priya Mitchell klingen im 1. Rang Mitte klein und verzagt, lassen aber auch von sich aus jenen für Beethoven so essentiellen drängenden Impetus vermissen.

Gleichwohl hat der Abend einen Höhepunkt. Geiger Hugo Ticciati, Bruder des aktuellen DSO-Chefdirigenten und künstlerischer Leiter des O/Modernt, brilliert in Arvo Pärts frostig-heißblütigem „Fratres“ – und hebt dann im „Sommer“ aus Vivaldis „Vier Jahreszeiten“ völlig ab. Mit einem unerhörten, in dieser Radikalität vielleicht noch nie gespielten Affentempo, das das Hitzige, Fiebrige, Flirrende der Jahreszeit physisch spürbar macht. Ziemlich grandios.

E-Gitarrist Marzi Nymann hat jede Menge Zeit, seine Arbeit vorzustellen

Danach kommt nicht mehr viel. Und das, obwohl es dem finnischen E-Gitarristen Marzi Nymann nicht an Zeit mangelt, seine Arbeiten vorzustellen. Wie oft, wenn Klassik und Pop zusammengezwungen werden – hier etwa für David Bowies „Heroes“ – hat man das Gefühl, dass die Streicher für die Aufgabe missbraucht werden, reichlich Gefühl ins Klanggewebe zu pumpen. Es ist reiner, unerträglich unironischer tonaler Kitsch. Fluchtimpulsen beugt eine listig ans Ende gesetzte Ankündigung vor: eine Bearbeitung von Beethovens 7. Symphonie soll folgen. Tatsächlich handelt es sich um den Beginn des zweiten Satzes, neu unterlegt mit E-Gitarre und Drums. Ein bisschen wie Popsongs der Achtziger, die mit Beats aufgepeppt werden, weil sie nicht mehr aufregend genug klingen. Die Erkenntnis: Immer, wenn die Musik etwas zu sagen hat, stammt sie von Beethoven. Alles andere ist Begleitgeplänkel.

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