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Max Gertsch aka Willi Pfister in der Bar jeder Vernunft.

© Anni Permesang

Willi Pfisters Homecoming: Wie einst der Meister aus Memphis

Dreißig Jahre nach der Trennung der Geschwister Pfister ist Willi Pfister zurück in Europa. Der Showstar aus Las Vegas feiert sein musikalisches „Homecoming“ in der Bar jeder Vernunft.

Okay, he’s back. Nein, die Rede ist nicht vom King, sondern von Willi Pfister, dem abtrünnigen Bruder der Geschwister Pfister, der bei seiner „Homecoming“-Show in der Bar jeder Vernunft allerdings bis in jede Faser dem Meister aus Memphis sehr nahe kommt: sandfarbener, glitzerbesetzter Sakko mit Einstecktuch und kilometerlang offenem Hemd, Goldkettchen und turmhohe, wenn auch schon leicht angegraute Tolle, dazu der passende Move und ein Hüftschwung, der den Martini auf dem Tisch zum Überschwappen bringt.

Elvis Presley? Ist bekanntlich schon eine Weile her, und das gilt auch für Willis Tage bei den Geschwistern Pfister: Von 1991 bis 1993 gehörte Max Gertsch, wie der Künstler eigentlich heißt, zur Gründungsformation, bevor er ausstieg und – so die erfundene Vita seiner Figur – Karriere in Las Vegas machte, wo ja auch der King große Triumphe feierte. Dass Gertsch jetzt zum aktuellen „Pfistival“ für eine Solo-Show nach Berlin zurückkehrt, ist natürlich auch erfunden, er lebt ja eigentlich hier.

Was hingegen stimmt, ist hingegen die Herkunft aus der Schweiz (von Figur und Person), und daraus schlägt Gertsch reichlich vor allem linguistisches Kapital. Seine Sprachperformance rührt einen schwitzerdytsch-englischen Cocktail zusammen, der deutlich an Gayle Tufts angelehnt ist und seinen Witz auch aus den kleinen, bewusst eingesetzten Fehlleistungen und Verdrehungen bezieht („Sie gingen durch Dünn und Dick“, „ein Mensch und Blut und Fleisch“). Bruder Ursli, der natürlich im Publikum anwesend ist wie auch Fräulein Schneider, wird da schnell zu „Öörsli“. Wie soll man diese Sprache nennen? Wir schlagen „Swisslish“ vor.

Generell aber sind Gertsch‘ Verweise auf seine frühere Bühnenfamilie an diesem Abend eher spärlich, das Ganze ist ja auch schon 30 Jahre her. Nach den Pfisters war er in der Serie „Die Flughafenklinik“ zu sehen und in einer Hauptrolle in der Krimiserie „Im Namen des Gesetzes“. Die Premiere seiner Show funktioniert vor allem auch deshalb, weil er auf ein enorm liebendes Publikum trifft, auf eine verblüffend eingeschworene und für die Bar jeder Vernunft ziemlich heterosexuelle Fangemeinde, die all die Jahre auf ihn gewartet zu haben scheint – bei den drei Aufführungen, die noch im Oktober anstehen, könnte das anders sein.

Songs von Elvis, Lou Reed und Hildegard Knef

Und so tanzt Gertsch mit dem Mikrofon, reimt „Zelt“ auf „Welt“, verzückt mit Schweizer Gebirgssee-Augen weibliche wie männliche Fans – und singt, natürlich, mit tollem Bariton und teilweise a capella: Elvis, Adriano Celentano, Lou Reed („Perfect Day“). Homöopathisch eingestreutes Lokalkolorit muss auch sein, logisch: Hildegard Knef („Berlin, sein Gesicht hat Sommersprossen“), Paul Lincke. Eine Dreiercombo begleitet ihn: Marty Jabara (Keyboard und Leitung), Dirk Schmigotzki (Bass), Kenny Martin (Drums).

Stark ist Gertsch in der spontanen Kommunikation mit seinem Publikum: Einem Erdbeben-Seismografen gleich reagiert er sofort und mit Witz auf alles, was aus dem Parkett kommt: Zurufe, Blumen oder das Angebot, doch mal von der Weinschorle zu nippen. Trotzdem gibt es auch Momente, in denen mit eben diesem Publikum nicht zu spaßen ist: Als er die Aktivisten der „Letzten Generation“ in die Show einbaut, lacht niemand – und der Grund dafür dürfte mutmaßlich nicht sein, dass es hier an Bewusstsein für den Ernst der Klimakrise fehlt. Es will nur niemand daran erinnert werden.

Dabei verdienen die Klimaklebern doch eigentlich nichts anderes als Sympathie und Respekt: Sie opfern ihre Gesundheit, setzen sich dem Hass der Bevölkerung aus – obwohl das, was sie tun, nichts ist im Vergleich zu dem, was kommt. Dennoch ist das nur ein Augenblick in einer ansonsten höchst erfolgreichen Premierenshow. Um den Weg der Bühnenfigur Willi Pfister angemessen zu bilanzieren, greift Gertsch schließlich zum einzig passenden Song: Frank Sinatras „I Did It My Way“. Wirklich gehen lassen will ihn sein begeistertes Publikum trotzdem nicht.

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