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Der als Weihnachtsmann verkleidete Dan Kemmis

© Ted S. Warren/AP Photo/dpa

Andere Länder, andere Mythen: Wieso bringt der Rauschebart die Geschenke – und nicht der Joulupukki

Kommen die Gaben vom Heiligen Nikolaus, dem Christkind, der Hexe Befana, Väterchen Frost oder Santa Claus? Global gehen die Meinungen da auseinander.

Wie konnte es nur so weit kommen? Wie wurde aus dem frühchristlichen Asketen und Heiligen Nikolaus, der im 4. Jahrhundert als Bischof von Myra die Kinder und die Armen beschenkte, ein dauergrinsender, adipöser Rauschebartträger, der auf den Namen Santa hört und zur Bescherung im Coca-Cola-Truck vorfährt? Wie wurde Weihnachten vom Fest der christlichen Nächstenliebe zum Konsumterror- Termin?

Das ganze Schlamassel begann mit einem akustischen Missverständnis, mit einem Übersetzungsfehler: Holländische Auswanderer hatten, als sie 1624 Nieuw Amsterdam an der Ostküste Amerikas gründeten, aus ihrer Heimat auch den Brauch vom Sinterklaas mitgebracht, der dort traditionell zur Feier von Christi Geburt die Geschenke bringt. Als die Engländer 40 Jahre später die Stadt eroberten und in New York umbenannten, wurde auch der großzügige winterliche Gabenbringer der neuen Amtssprache angepasst – als Santa Claus.

Ausgerechnet ein Deutscher verpasste ihm zwei Jahrhunderte später dann das Aussehen, das wir heute für charakteristisch halten: Der Pfälzer Thomas Nast war auf der Suche nach einem besseren Leben in die Neue Welt gekommen und hatte sich dort als talentierter Zeichner einen Namen gemacht. Für „Harpers Weekly“ lieferte er regelmäßig humoristische Illustrationen. 1863 malte er den Weihnachtsmann als lachenden Alten – inspiriert vom Gedicht „The Night before Christmas“, in dem er besonders merry, also fröhlich bezeichnet wird.

Außerdem hüllte er ihn in ein wärmendes Outfit mit Fellkragen-Mantel und Mütze, in Anlehnung an den „Pelznickel“, den er aus seiner lokalen Tradition als Geschenkelieferant kannte. Und weil Nast im damals tobenden Sezessionskrieg zwischen den Nord- und Südstaaten auf der Seite der Unionisten stand, wählte er deren Farben für das Gewand seines jovialen Dickbauchs: rot und weiß.

Santa Claus? Er müsste Santo Claus heißen

Der Coca-Cola-Konzern vereinnahmte den Sympathieträger übrigens erst ab 1931 für sich, als Marketing-Model, das kein Honorar verlangt.

Das Bild des mollig eingemummelten „Ho, ho, ho“-Sagers, der mit seinem Rentierschlitten vom Nordpol kommt, verbreitete sich schnell in den 1865 schließlich Vereinigten Staaten, auch dank der frisch erfundenen Kommunikationsform per Grußpostkarte. Und weil es nun einmal zu den Tugenden der Siedler gehörte, pragmatisch zu sein, wurde der amerikanische Weihnachtsmann bald verkürzend Santa genannt.

Was in vielen romanischen Sprachen, vom Latein über das Italienische bis hin zum Spanischen „Die Heilige“ bedeutet. Im Englischen dagegen wird zwar nicht zwischen weiblichen und männlichen Heiligen unterschieden, ein eigenes Wort dafür aber gibt es sehr wohl: Eigentlich hätte also ein Saint vor dem Claus stehen müssen.

In Schweden bringt der Wichtel Tomte die Geschenke.
In Schweden bringt der Wichtel Tomte die Geschenke.

© dpa-tmn

Ein Wesen mit uneindeutiger Geschlechtlichkeit gibt es auch in der europäischen Weihnachtstradition: das Christkind nämlich. Es hat vor allem in katholisch geprägten Gegenden den Weihnachtsmann als Gabenbringer überflügelt, ist allerdings ursprünglich eine Erfindung von Martin Luther.

Weil der Reformator gegen jede Form von Heiligenverehrung war, lehnte er auch die Symbolfigur des Nikolaus von Myra ab – und schlug vor, dass stattdessen doch besser der „Heilige Christ“ den Geschenkesack schultern sollte. Der wurde später dann zum Christkind verniedlicht, einem engelgleichen Wesen mit lichtdurchwirktem, weißen Gewand, das nicht persönlich in die Wohnstuben kommt, sondern ungesehen seine Gaben vor der Tür ablegt.

Warum diese protestantische Symbolfigur um das 1900 herum konvertierte, ist den Experten ein Rätsel. Tatsache ist aber, dass im evangelisch dominierten Norden Deutschlands der von Luther bekämpfte Weihnachtsmann überlebt hat, während die meisten Papstfreude aus dem Westen und Süden heute den Christkind-Brauch pflegen.

In Island gibt es die Fleischkraller und Wurststibitzer

Genderneutral ist auch das Wichtelchen Tomte, das in Schweden die Gaben bringt. In Finnland gibt es den Joulupukki, in Island sind sogar 13 Weihnachtsgesellen unterwegs, die ab dem 12. Dezember nach und nach aus den Bergen herabsteigen, um die Menschen zu necken, als Wuststibitzer, Fleischkraller oder Türenschläger. Schließlich aber schieben sie den Kindern zur Feier von Jesu Geburt dann doch noch kleine Geschenke in die Schuhe.

Eine durchaus gruselige Mythenfigur ist Väterchen Frost. In slawischen Sagen vermag dieser Zauberer alles in Eis zu verwandeln, was er mit seinem Szepter berührt. Außerdem macht er sich einen Spaß daraus, Kinder zu stehlen. Dennoch wurde er vom orthodoxen Christentum eingemeindet und zum milden Gabenbringer macht, ja sogar die Kommunisten versuchten später, seine Mission in ihrem Sinne umzudeuten. Traditionell erscheint Väterchen Frost, der tief in der Taiga wohnt, spätabends am 31. Dezember, in Begleitung seiner Enkelin Snegurotschka, dem Schneeflöckchen.

Väterchen Frost, seine Enkelin Schneeflocke schmücken einen Baum in der russischen Botschaft in Berlin.
Väterchen Frost, seine Enkelin Schneeflocke schmücken einen Baum in der russischen Botschaft in Berlin.

© Doris Spiekermann-Klaas

In Griechenland kommt der heilige Basilius von Caesarea zu den Familien, noch einen Tag später, zu Neujahr, wenn der bekennende Vegetarier und frühchristliche Kirchenvater seinen Namenstag hat. In Italien ist traditionell sogar erst am 5. Januar Bescherung. Die Geschenke werden von der alten Hexe Befana gebracht, die sich auf der Suche nach dem Christuskind mit ihrem Besen verflogen hat, weil sie so spät aufgebrochen ist, dass der leitende Stern von Bethlehem schon wieder verloschen war.

Ihr Name leitet sich von der Epiphanie her, dem christlichen „Fest der Erscheinung des Herrn“, das am 6. Januar gefeiert wird. Es ist gleichzeitig der Dreikönigstag. Die Weisen aus dem Morgenland, waren bei beim Orientierungslauf zur Krippe im Stall erfolgreicher als die italienische Besenreiterin und konnten darum Josef und Maria Weihrauch, Gold und Myrrhe überreichen.

Auf Santa Claus warten Milch und Kekse

Dass die Geschenke bereits am Heiligabend ausgepackt werden, ist eine deutsche Besonderheit. In den meisten Ländern gibt es die erst am 25. Dezember. Dort, wo Santa Claus kommt, gibt es den Brauch, dass an Heiligabend im Wohnzimmer Milch und Kekse bereitgestellt werden, damit sich der Gabenbringer nach seinem Rutsch durch den Kamin und dem Befüllen der dort angehängten Strümpfe vor der Weiterreise stärken kann. Für seine Rentiere liegen außerdem frische Möhren bereit.

Zu den großen Rätseln der Weihnachtstraditionen gehört, warum sich die große spanischsprachige Community in den USA nie dafür eingesetzt hat, Santa von seiner falschen femininen Endung zu befreien und als Santo Claus geschlechtlich eindeutig auszuweisen. Oder ist das irreführende A am Ende womöglich als versteckter Hinweis zu lesen? Wer sagt denn, dass in Wahrheit unter der Perücke und hinter dem buschigen Vollbart nicht doch ein weibliches Wesen steckt? Schließlich bleibt in der Vorweihnachtszeit ja auch die ganze andere Arbeit vom Füllen des Adventskalenders über das Plätzchenbacken bis zum Schmücken des Christbaums meistens an den Müttern hängen.

Sollte da wirklich das finale Highlight der stressigen Wochen, die Geschenkübergabe, von den Kerlen abgegriffen werden? Erst kümmern die sich elf Monate lang nicht um die Kindererziehung und dann wollen sie mit der Rute drohen? Frauen, es ist definitiv an der Zeit, diese feiertägliche Bastion des Machismo zu schleifen! Als Gott den Weihnachtsmann schuf, übte sie nur.

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