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Cis-weißer schwuler Mann des Jahres. Podcaster Bobby (Billy Eichner) fühlt sich bereits als Auslaufmodell.

© Foto: Universal

Wie schwul darf eine RomCom sein?: Liebe ist nicht Liebe

Besser spät als nie: „Bros“ ist Hollywoods erste schwule Romantic Comedy. In den USA floppte Billy Eichners Film, obwohl er irre komisch ist. Woran liegt’s?

Liebe ist Liebe ist Liebe!“, behauptet der Hollywood-Produzent, der beim LGBTQ+-Podcaster und Autor Bobby Leiber eine schwule Romantic Comedy bestellt, die aussehen soll wie eine Hetero-RomCom. Bobby, ohnehin dauerwütend, explodiert: „Unsinn! Dass wir genauso sind wie ihr, ist eine Lüge, die wir uns nur ausgedacht haben, damit ihr uns ein bisschen netter behandelt!“

Der Dialog stammt aus einer frühen Szene in der schwulen RomCom „Bros“, die der Autor und Comedian Billy Eichner für Universal, also ein großes Hollywood-Studio, geschrieben hat – und das Universal natürlich auch als erste schwule RomCom eines Major-Studios bewirbt. Eichner selbst spielt Bobby, und dieser Meta-Moment im Film, der sein eigenes Format infrage stellt und das kommerzielle Scheitern von „Bros“ schon ironisch prophezeit, ist eine ziemlich gewagte Pointe.

Wir hatten Aids, sie haben ‚Glee‘!

Billy Eichner in „Bros“

Denn von Beginn an stehen zwei Fragen im Raum: Kann eine schwule RomCom funktionieren? Und falls nicht: Wie witzig kann so ein Scheitern aussehen? Funktioniert hat „Bros“ an den US-amerikanischen Kinokassen nicht. Aber er ist wahnsinnig witzig.

Bobby und Aaron, gespielt von Luke Macfarlane, sind das RomCom-Paar, das sich fragt, wie es Sex in seine Beziehung einbauen kann. Sex haben sie ziemlich schnell – aber irgendwie nicht miteinander. Beim ersten Mal sind noch zwei andere Männer dabei. Sex ist nicht Sex.

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Genrekonform kommen sie aus unterschiedlichen Welten. Aaron ist Anwalt, berät solvente alleinstehende schwule Kunden beim Aufsetzen ihres Testaments und weiß: Erben ist nicht Erben. Er ist phänotypisch ein Bro, kommt aus der Kleinstadt und hat dank Crossfit einen nassrasierten Normkörper, der sowohl „hetero“ also auch „homo“ gelesen werden kann. Bobby dagegen, der zynische Podcast-Aktivist, ist ein typischer New Yorker mit neurotischer Ausprägung: körperlich nicht so weit weg von der Bro-Norm, aber immer zu laut, immer zu wütend. Und vor allem: immer zu schwul.

Gerade ist er auf den „LGBTQ+ Pride Awards“ zum „cis-weißen schwulen Mann des Jahres“ gewählt worden und hat die Leitung eines neuen Museums für queere Geschichte übernommen. Was zwischen diesen beiden so ungleichen Männern bis zum vorsichtigen Happy End ausgehandelt werden muss, liegt auf der Hand: Der Intellektuelle braucht die Bestätigung seiner Fuckability, das Landei muss die Angst verlieren, als langweilig und ungebildet beurteilt zu werden.

Billy Eichner ist ein brillanter Analytiker der queeren Szenen

Wie souverän die Plot-Twists und die fünf Akte comedytechnisch auch gesetzt sind – der Witz liegt in „Bro“ woanders: Die Prämisse des Genres RomCom ist niemals queer. Das Versprechen auf Versöhnung der Gegensätze, auf Liebesglück unter unwahrscheinlichsten Voraussetzungen, auf „Liebe ist Liebe“, ist aber auch nicht die Sache von Billy Eichner, dessen Comedy-Routine darin besteht, Menschen auf der Straße mit überfordernden Fragen anzubrüllen. Er ist zu sehr brillanter Analytiker der queeren Szenen, deren Sehnsüchte nach gesellschaftlicher Teilhabe durch Anpassung er freilegt, als dass er solche heteronormativen Genrevorgaben eins zu eins umsetzen würde.

Zu den Cringe-Momenten von Bobbys Alltag gehören die dysfunktionalen Dating-App-Chats, die Leihmütter-basierten Familienexperimente, die in alle Geheimnisse des schwulen Sexlebens eingeweihten Heteros, die von Eltern und Großeltern gefeierten neuen Beziehungsformen – und ein schwules Paar, das zur Enthüllung des Geschlechts seines neugeborenen Kindes (die in den USA üblichen „Gender Reveal Partys“) zu einer „Gender Reveal Orgie“ einlädt.

Bei den LGBTQ+ Pride Awards: Tamara (Eve Lindley), Robert (Jim Rash), Angela (Ts Madison), Cherry (Dot-Marie Jones) und Wanda (Miss Lawrence).

© Foto: Universal

Als Brennglas dieser Bemühungen um neue Traditionen und Rituale, die noch zu sehr an leidvoll erfahrenen heteronormativen Strukturen kleben, wird in „Bros“ Bobbys Arbeitsplatz inszeniert. Die Sitzungen des Museumsteams werden zum hochgradig komischen Kampfplatz identitätspolitischer Interessen: bi gegen trans, lesbisch gegen schwul, irritiert beobachtet von einer jungen nonbinären Person im Team, die auf eine „post gay“-Zukunft hofft. Bobby erscheint in diesen Diskussionen schon als altmodische Figur, die auf Ausstellungsvitrinen und eine Revision der Geschichtsschreibung (Abraham Lincoln war schwul!) besteht. Und dabei den Spaß an der Vermittlung einer lebendigen Szene aus den Augen verliert. Seine beste Punchline betrifft den Generationenkonflikt: „Wir hatten Aids, sie haben ‚Glee‘!“

Einer der vielen interessanten Widersprüche von „Bros“ ist, dass der komödiantische Fokus auf den ungelenken Versuchen der Figuren liegt, aus heteronormativ geprägten Körpern und Ideen etwas gesellschaftlich Neues aufzubauen. So wird aus dem konservativen RomCom-Format ein trojanisches Pferd – mit einigen Stolperfallen. Auf der anderen Seite muss Eichner sich fragen lassen, warum sein queeres Szeneporträt so ausschließlich um die eigene Figur angelegt ist. Und warum ein fittes, weißes schwules cis-Männerpaar hier die Zentralfigur gesellschaftlicher Diversität darstellt. Aber vielleicht bilden ja gerade die Reibungen, die sich permanent zwischen Form und Inhalt ergeben, die erfahrungsgesättigte Grundlage der spezifisch queeren Erfahrungen, auf denen Eichner/Bobby bestehen.

Nicht beziehungsfähig. Bobby (Billy Eichner) und Aaron (Luke Macfarlane).

© Foto: Universal

Dass der Komödienspezialist Judd Apatow „Bros“ produziert hat, rückt die Verkrampfungen von Bobby und Aaron ins Spektrum seiner eigenen, aus den gesellschaftlichen Erwartungen herausfallenden Figuren, die nicht erwachsen werden wollen, weil die damit verbundenen Profite nicht mehr sicher sind. Bobbys Ängste, mit seinem Aktivismus allenfalls in einer künstlerischen Nische zu landen, sind allerdings von einem anderen biografischen Wissen geprägt als die von Apatows Hetero-Helden. In einer berührenden Szene erzählt Bobby Aaron von den Ratschlägen schwuler Männer im Laufe seiner Karriere, sich nicht zu sehr mit seiner Homosexualität zu identifizieren – andere Menschen würden sich dadurch unwohl fühlen.

(In den 17 Berliner Kinos, auch OmU)

Liegt darin der (schon eingebaute) kommerzielle Misserfolg von „Bros“ begründet? Ist „queer“ also doch noch nicht genug „im Mainstream angekommen“, wie es immer so schön heißt? Billy Eichner schien davon nicht überrascht und ging in die Offensive: Die Heteros seien halt einfach nicht aufgekreuzt. Ihr Pech, sie haben was verpasst.

Das kann man zum deutschen Kinostart nur unterstreichen. Es wäre blöd, sich diesen Spaß entgehen zu lassen, der sich nie anbiedert – und sich auch nicht allein mit einem Happy End begnügt. Sondern fröhlich behauptet, dass all die Verkrampfungen zu Liebe und Gemeinschaft führen können. Bei der Eröffnung des Museums für queere Geschichte wäre man jedenfalls gerne dabei: Es gibt eine Trauma-Geisterbahn und ein Eleanor-Roosevelt-Hologramm, Leonardo da Vinci redet über Bisexualität und zum Happy End singt Eichner einen Country-Song. Der Refrain lautet: „Liebe ist nicht Liebe“.

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