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Zwei Mädchen erleben aufregende Abenteuer.

© Regina Kehn

Kinderbuch: Wie Dracula gerettet wird

Zwei Mädchen und ihr spannendes Detektivspiel.

Oda und Tilda besuchen nicht nur gemeinsam eine vierte Klasse, sondern wohnen auch noch im selben Haus. Sie sind beste Freundinnen und passen laut Oda gerade wegen ihrer Gegensätzlichkeit so perfekt zusammen wie Legosteine. Oda ist quirlig und hat so viele Ideen, dass sie die eine oder andere auch wieder aus den Augen verliert. Wenn sie sich allerdings ärgert, kann sich ihr „Getöse“ bis zu einem „markerschütternden“ Brüllen steigern.

Tilda hingegen ist die Ruhe selbst und manchmal so langsam wie ihre drei geliebten Achatschnecken. Ihre Tierliebe ist so groß, dass sie für Igel auch trotz einer ungeduldig wartenden Oda plattgetretene Kaugummis vom Boden kratzt, damit sie daran keinen Schaden nehmen. Tilda hat ein Elefantengedächtnis und vertilgt Süßigkeiten noch schneller als Oda. Als aus ihrem Haus ein kleiner Hund mit bemerkenswertem Unterbiss verschwindet, erkennt Oda darin sofort den Tatbestand einer Entführung. Klar, dass sie und Tilda als Detektivteam Dracula retten müssen – außerdem sind 250 Euro Finderlohn ausgesetzt. Das reicht für fünfhundert kleine „süße Tüten“ vom Kiosk.

Ein halbes Jahr nach „Sonne, Moon und Sterne“ veröffentlich Lara Schützsack mit „Tilda, ich und der geklaute Dracula“ ein neues Kinderbuch. Als Erzählerin fungiert das sprunghafte „Ich“ von Oda mit einer ihr entsprechenden Erzählweise. [Lara Schützsack: Tilda, Ich und der geklaute Dracula. Mit Vignetten von Regina Kehn. Fischer Sauerländer, Frankfurt am Main 2019. 254 Seiten. 12 €. Ab neun Jahren].

So lebt die Suche nach Dracula weniger von systematischen Überlegungen als von altersgemäß spontanen Mutmaßungen und sich zum Glück stets alsbald widerlegenden Vorurteilen. Das Detektivspiel wird immerhin bis zum Ende durchgehalten und findet eine überraschende Auflösung. Aber eigentlich bildet es nur den Rahmen, um Oda und Tilda wie auch ihren Umgang mit anderen ihnen wichtigen Personen kennenzulernen.

So sieht Oda ihre Freundschaft zu Tilda zwar nicht durch ihre sich stets verzögernde Teilhabe an dem Detektivspiel bedroht, dafür umso mehr durch Tildas Besuch einer Geburtstagsparty, zu der Oda nicht eingeladen war. Außerdem ist da noch Tildas ein Jahr jüngerer, aber sehr cooler Bruder Anton, der bei Oda bislang unbekannte Gefühle auslöst. Überhaupt findet Oda es spannend, dass Tilda noch vier Geschwister hat, während sie selbst ein die Eltern dominierendes Einzelkind ist. Und sie verbreitet eben nicht nur Getöse, sondern behebt mit ihren Ideen auch mal so eben zwischendurch die Geschäftsflaute eines befreundeten Pizzeria-Inhabers. Dank Tildas Elefantengedächtnis wird der Kiosk-Betreiber Helmut nach vielen Jahren seine schmerzlich vermisste Roswitha wiederfinden.

Die Autorin legt ihrer Ich-Erzählerin treffende Formulierungen in den Mund, etwa einen „Nachmittag, der sich anfühlt wie ein zu lang durchgekautes Kaugummi“. Die Heldinnen beweisen, dass es sich im Leben immer lohnt, nicht allein vom ersten Eindruck auszugehen. Macken machen Menschen erst liebenswert. Jedem Kapitel sind Vignetten der Illustratorin Regina Kehn vorangestellt, die an die Klassiker von Walter Trier erinnern. Ulrich Karger

Ulrich Karger

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