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+KUNST Stücke: Welche Liebe?

Ob wohl ein jeder Liebhaber guten Möbeldesigns die Veredelung zu schätzen weiß? Das graue Florence-Knoll-Sofa, auf dem in der Galerie Johann König (Dessauer Straße 6-7, bis 26.

Ob wohl ein jeder Liebhaber guten Möbeldesigns die Veredelung zu schätzen weiß? Das graue Florence-Knoll-Sofa, auf dem in der Galerie Johann König (Dessauer Straße 6-7, bis 26. Mai) bislang die Sammler Platz nahmen, ist nun Teil einer Installation. Und die Indienstnahme für die höheren Weihen der Kunst ist unwiderruflich. Über den noblen Dreisitzer ziehen sich Schlieren in Orange und Lila. So verfährt die in Freiburg geborene, in Düsseldorf lehrende, in Berlin lebende Katharina Grosse seit geraumer Zeit. Im Raum macht sie die Einheit von Ort, Zeit und Handlung erfahrbar. Befreit die Malerei aus ihren Konventionen, Dimensionen. Eignet sie sich gestisch, dynamisch, performativ an, ohne gleich eine Performance daraus zu machen. Drei volle Tage lang war Katharina Grosse mit ihren Sprühpistolen in der Galerie unterwegs. Die Wände, den Boden, die Ritzen, die Zwischenräume mit grellbunten Farbnebeln benetzend, einige blinde Flecken sorgsam aussparend.

Der Galerist und die Künstlerin können nicht von vernebelter Luft allein leben. Eine Galerieausstellung ist eine kommerzielle Angelegenheit. Die Sammler können für Gespräche nun nicht länger auf dem grauen Sofa Platz nehmen. Sie können es kaufen: für 58 000 Euro. Das Sofa steht auf einem ovalen, noch vor drei Tagen weißen Teppich: 65 000 Euro. Das Sofa steht vor zwei „Schollen“, von Grosse mit heißem Draht aus Styroporblöcken geschnitten und anschließend mit Glasfasermatten belegt, jeweils knapp 400 Kilogramm schwer. Aber vielleicht muss man sagen: 400 Kilogramm leicht – angesichts der monumentalen, gerade eben durch den Eingang passenden Dimensionen. Zweidimensionales gibt es dann doch, drei klassische Leinwandformate aus dem Atelier (45 500-86 000 Euro). In einem Monat, nach Ende der Schau, werden die Wände überstrichen, der Boden sandgestrahlt. Ein neues graues Knoll-Sofa ist schon bestellt.

So viel Renovierungsarbeit wird nach der Ausstellung von David Renggli in der Galerie Wentrup (Tempelhofer Ufer 22, bis 30. Mai) nicht notwendig sein. White Cube – old school. Drei Bilder, fünf Skulpturen. Sie fügen sich, anders als Grosses „Schollen“, überall ein. Ein Teil der Ausstellung war schon während des Gallery Weekend verkauft: 24 000 Euro für die Bilder, 14 000 Euro für die Skulpturen. Gebogene, geschweißte, hochglanzlackierte Stahlrohre. Rot, Pink, Orange. Leuchtende Farben, wie bei Grosse. Wie deren Nicht-Graffitis sind Rengglis holzgerahmte Glasmalereien vor Ort in der Galerie entstanden. Ebenfalls mit einer vom Künstler entwickelten Technik und eigens gebautem Instrumentarium. „Rakeln“, die an das Wischwerkzeug eines Fensterputzers erinnern. Die Bilder heißen „I love you“. Worte voller Schönheit, Essenz, Dramatik, Oberflächlichkeit, Banalität, Redundanz, die die Liebenden heute vor ähnliche Probleme stellen wie die abstrakten Maler nach der New York School. Auch bei Renggli geht es am Ende um Konventionen und Freiheit.

Jens Müller

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