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Kämpfte für Sklaverei. Denkmalssturz eines Konföderierten-Generals.

© picture alliance/dpa/XinHua

Roman über Sklaven-Befreierin: Weiter kämpfen, nie aufgeben

Sie befreite sich selbst und mehr als 300 Sklaven: Ann Petrys Klassiker über Harriet Tubman erscheint endlich auch auf Deutsch.

Ich betrachtete meine Hände, um zu sehen, ob ich immer noch derselbe Mensch war, jetzt, in Freiheit. Über allem lag eine solche Pracht, die Sonne schien golden durch die Bäume und lag golden auf den Feldern, und ich fühlte mich, als wäre ich im Himmel.“ So erinnert sich Harriet Tubman an den Moment, als sie 1849 im Alter von 29 Jahren die Grenze nach Pennsylvania überschritt und damit zu einem freien Menschen wurde.

In den USA ist Tubman eine Berühmtheit, weil sie erst sich selbst und später andere Sklaven befreite. Die afroamerikanische Schriftstellerin Ann Petry (1908-1997) hat Tubmans Geschichte bereits 1955 in ihrem Roman mit dem Untertitel „Fluchthelferin bei der Underground Railroad. Aus der Sklaverei in die Freiheit“ erzählt. Nun ist ihr berührendes Buch erstmals auf Deutsch erschienen.

Ruhm mit "The Street"

Behutsam hat Übersetzerin Hella Reese Petrys Sprache an heutige Erfordernisse angepasst, vor allem wenn es um die nicht-weiße Bevölkerung geht. Petry hatte als Apothekerin gearbeitet, bevor sie nach New York zog, dort als Journalistin arbeitete und 1946 mit ihrem Roman „The Street“ bekannt wurde, der vor zwei Jahren in einer deutschen Neuübersetzung herausgekommen ist.

Dass ihre Romanheldin Harriet Tubman die Freiheit erlangte, verdankte sie der legendären „Underground Railroad“, einem Netzwerk von humanistisch gesinnten Farmern und Quäkern, die mit codierter Kommunikation, Deckadressen und Geheimverstecken Sklaven aus den Südstaaten in kleinen Etappen von Station zu Station in den Norden schleusten.

Einen ersten Fluchtversuch hatte Tubman abbrechen müssen. Beim erfolgreichen zweiten Versuch war sie vor allem nachts unterwegs und orientierte sich dabei am Polarstern. Doch in Pennsylvania angekommen, fühlte sie sich als „Fremde in einem fremden Land“.

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Niemand hatte sie erwartet. Tubman sehnte sich nach ihrer Familie auf der Plantage in Maryland. So kehrte sie mehrfach in den Süden zurück und half insgesamt mehr als 300 Sklaven bei der Flucht in die Freiheit. Ihr Deckname lautete „Moses“, nach dem biblischen Propheten, der sein Volk aus der Knechtschaft führte. Tubman ist sogar in die Unions-Armee eingetreten, der sie als Kundschafterin und Spionin bis zum Ende des Bürgerkriegs diente. Eine Pension hat sie dafür nie bekommen.

Zur Arbeit "vermietet"

Ann Petry erzählt die Geschichte eines tapferen Mädchens, das sehr früh das Unrecht der Sklaverei am eigenen Leib erfahren muss. Schon mit sechs Jahren wird sie zur Arbeit „vermietet“, sie schuftet auf dem Plantagenfeld, im Wald und im Haushalt. Sie wird wie eine Ware behandelt, erlebt aber auch, wie allmählich der Widerstand wächst. Geschichten von Sklavenaufständen machen bei geheimen Zusammenkünften die Runde.

[Ann Petry: Harriet Tubman. Fluchthelferin bei der Underground Railroad. Aus dem Englischen von Hella Reese. Nagel & Kimche, Zürich 2022. 224 Seiten, 16 €. Ab zwölf Jahre]

Da Tubman weder lesen noch schreiben konnte, stammt alles, was über sie bekannt ist, aus Sekundärquellen, aus dem, was andere über sie erzählten. Ihr Mut wurde oft gerühmt. Im Teenager-Alter erlitt sie eine Kopfverletzung, weil sie sich weigerte, einem Aufseher dabei zu helfen, einem geflohenen Sklaven Fesseln anzulegen.

Die Szene ereignete sich in einem Krämerladen, zu dem Harriet geschickt worden war, um einzukaufen. Der Aufseher warf ein Zwei-Pfund-Gewicht von der Ladentheke nach dem Flüchtenden und traf Harriet. Die Flucht des Sklaven gelang – ein einschneidendes Erlebnis in Tubmans Leben. Als Fluchthelferin motivierte sie später ihre Schützlinge immer wieder, Strapazen zu erdulden, weiter zu machen, nie aufzugeben

Ann Petry zeigt, wozu couragierte Menschen fähig sind, wenn sie ein Ziel vor Augen haben. Der Roman ist Zeugnis eines bedrückenden Kapitels der amerikanischen Geschichte, dessen Schatten bis in die „Black Lives Matter“-Gegenwart reichen.

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