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Nach längerer Rekonstruktion ist die Bartoszewski-Brücke im Oderbruch seit Juni 2022 für Fußgänger und Radfahrer passierbar.

© Imago/Volker Hohlfeld

Weitblick von der Brücke: Ein Ausflug in das Oderbruch

Wer über die Bartoszewski-Brücke von Deutschland nach Polen spaziert, könnte einen Kulturschock erleiden. Was läuft schief auf der deutschen Seite?

Eine Kolumne von Nikolaus Bernau

Noch ist in Berlin Sommerpause, fahren wir also in guter Post-Urlaubslaune aufs Land. In das Oderbruch. Das ist – für Neu-Berliner und Opfer des Berliner Schulsystems – jenes einstige Überschwemmungsgebiet nordöstlich von Berlin, dessen Trockenlegung seit 1747 nicht etwa, wie die Legende sagt, einige Adlige oder gar der “alte Fritz” besorgten, sondern Fischer und Bauern und oft aus den Niederlanden gekommenen Wasserbauingenieure; ohne Einwanderer wären Brandenburg und Berlin nie etwas Anständiges geworden. 

Schnurgerade führt der Fahrradweg von Wriezen zur Bartoszewski-Brücke, die sich zwischen Neurüdnitz und Siekierki über die Oder spannt. Einst wurden sie gebaut für die Eisenbahn, um Landwirtschaftsgüter schnell nach Berlin zu bringen, nach dem Krieg schnell wieder aufgebaut, damit die Sowjetunion möglichst Truppen verlegen konnte, um renitente Deutsche oder Polen zu unterdrücken. Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Regime zerstörten kurzsichtig dem Autoverkehr huldigenden Verkehrsplaner und Politiker diese Verbindung, erst 2022 öffnete die Brücke wieder, aber nun nur für Fußgängerinnen und Fahrradfahrer. Die Aussicht ist grandios. Und die Luft so frisch.

In Polen gibt es Kuchen, in Deutschland Vogeldreck

Benannt wurde die Brücke nach dem großen Demokraten, Friedenskämpfer, Europäer und polnischen Staatsmann Władysław Bartoszewski, der unermüdlich für die Aussöhnung mit Deutschland focht. Auf polnischer Seite steht also ein witziger Aussichtsturm mit Blick über eine grenzenlos scheinende Landschaft, die seitlichen Teile des Brückenbodens sind als Gitter elegant offen gelassen, sodass sich kein Vogeldreck ablagern kann. Bequeme Sitzbänke wurden montiert, Text- und Bildtafeln erklären die historische Bedeutung des Bauwerks. So manches Brückenpicknick fand hier schon statt. Und am polnischen Festland wartet ein kleiner Wagen mit Kaffee und selbstgebackenem Kuchen.

Auf deutscher Seite dagegen herrscht Gestaltungsödnis: Die Fahrbahn ist geschlossen bis an die Konstruktion hin, sodass der Kot der Vögel alles verdreckt. Man kann nur im Stehen an der Reling den Fluss bewundern, dafür fahren hier die Fahrradfahrer besonders rasant, weil ihnen der einheitliche Belag signalisiert: Alles für dich, und nur für dich. Und von Kaffee keine Spur.

Man denkt an nett gedeckte Restauranttische selbst in polnischen Supermarktcafés, an das gebrummte „Wat wolln se?“ westlich der Oder und die oft so sehr deutsche Verwaltungsbau-Hässlichkeit. Der Ausblick auf die Landschaft, den sanften Fluss, die großartige Baukonstruktion und der leichte Wind vertreiben alle solch bösen Gedanken.

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