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Kollektiv kreativ. Beim New Yorker Magazin „Film Culture“ machten Künstler wie Yoko Ono und Andy Warhol mit.

© Film Culture

Ausstellung über das „Film Culture“ Magazin: Was haben sie gedacht

Wechselbeziehungen zwischen Film, Kunst, Musik und Literatur: Eine Ausstellung über das Magazin „Film Culture“ im berliner Projektraum Savvy Contemporary.

Fünfzig Cent kostete 1955 die Avantgarde. Verdammt wenig, wenn man sich rückblickend anschaut, was es dafür gab. Die New Yorker Zeitschrift „Film Culture“ von Jonas und Adolfas Mekas mischte Theorie und Praxis, Film und Kunst auf innovative, experimentelle Art – und die erste Ausgabe Mitte der fünfziger Jahre war das Versprechen einer Gegenkultur, das die Brüder aus Litauen gaben. Mit Texten von Hans Richter oder John Cassavetes („What’s wrong with Hollywood?“), gestalterischen Einfällen des Fluxus-Pioniers George Maciunas, Provozierendem von Barbara Rubin und Yoko Ono, Allen Ginsbergs Beat-Poesie und Andy Warhols special edition, die heute Tausende Dollar wert ist. Obwohl – oder gerade weil – sein Heft fast ausschließlich aus Bildern besteht.

Jonas Mekas hielt bis 1996 durch, erst nach 79 Ausgaben war Schluss. Ein Satz aller Jahrgänge liegt nun auf Tischen im Berliner Projektraum Savvy Contemporary. Zum Schutz unter Plexiglas, doch wer einzelne Interviews, künstlerische Manifeste oder Analysen legendärer Filme des New American Cinema lesen möchte, der darf das mit dünnen Handschuhen tun. Oben im Kulturquartier Silent Green findet parallel das Festival „Edit Film Culture“ statt. Konzerte, Screenings und Diskussionen beharken den Begriff der Filmkultur. Christian Hiller gehört zu den beiden Kuratoren der Veranstaltung: Ein Medienwissenschaftler, inzwischen Redakteur der Architekturzeitschrift „Arch+“. Auch diese methodische Verzahnung macht klar, was „Film Culture“ seinerzeit angestoßen hat und weshalb dieses wilde, anarchische Crossover der Genres immer noch fasziniert: Es war vor sechs Jahrzehnten in der Redaktion des Magazins nicht bloß selbstverständlich. Die Wechselbeziehungen zwischen Film, bildender Kunst, Musik und Literatur definieren erst das kulturelle Selbstverständnis der Protagonisten.

Jonas Mekas grüßt medial aus New York

Deren Ideen einer Gleichstellung von Popkultur und Literatur, von Porno und Performance führt die Ausstellung bei Savvy Contemporary inhaltlich fort. Jonas Mekas, der nach seiner Verhaftung durch die Nationalsozialisten und mehreren Jahren als displaced person in Deutschland 1949 in die USA auswanderte, hat den Weg aus New York nicht mehr gemacht; entgegen ersten Ankündigungen, die den 95-Jährigen noch als Teilnehmer des Festivals nannten. Er grüßt nun medial, mit einem Zusammenschnitt aus altem Filmmaterial am Eingang zur Schau. Als Regisseur, Kurator und Autor ist er Legende, doch prägt sich vor allem eine Szene ein, in der Mekas an seinem Schreibtisch sitzt und gleich zwei Hüte umgedreht in den Händen hält: Geld war immer ein Problem des Magazins, sein unregelmäßiges Erscheinen oft der finanziellen Situation geschuldet.

Die originalen Materialien auf den Ausstellungstischen bieten jede Menge Stoff dazu. Etwas einen Brief von Hans Richter. Der Dada-Maler und Filmregisseur nennt seinem Freund Mekas potenzielle Förderer für die Idee einer Filmzeitschrift, die man in New York ansprechen könne. Die Liste ist lang und eindrucksvoll, sie reicht von Mies van der Rohe über Siegfried Krakauer bis zu Marcel Duchamp. Mekas zog es vor, die erste Ausgabe von „Film Cultur“ von Mönchen drucken zu lassen. Sie erlagen seiner Überredungskunst, pausierten mit der Herstellung von Bibeln – und schickten ihm anschließend mehrere Mahnungen, weil er die Rechnung nicht bezahlte.

Die aktuelle Ausgabe ist Barbara Rubin gewidmet

Andere Tische präsentieren Fotos aus dem Archiv, Entwürfe einzelner Ausgaben und auf satiniertes Acryl gedruckte Texte aus „Film Culture“. Film-Ikonen wie „Pull My Daisy“ (1959) von Robert Frank oder „Award Presentation To Andy Warhol“ (1964) von Jonas Mekas – die Zeitschrift legte zwischendurch auch einen Preis auf, produzierte und vertrieb Filme – ergänzen das intensive Leseprogramm. Man kann Stunden in diesem Keller voll Wissen, Versuche und Behauptungen verbringen. Am Ende steht die Einsicht, dass dieses lose, kreative Kollektiv, zu dem neben Ono und Maciunas auch John Cage, Luis Bunuel, Maya Deren oder Kenneth Anger gehörten, nicht bloß ihrer Zeit voraus war. Sondern ebenso der Gegenwart, die sich immer noch schwertut mit dem Diffundieren der Disziplinen.

Den letzten Tisch belegt die aktuellste Arbeit. Es wird die Nummer 80 von „Film Culture“ sein, eine der wenigen monografischen Ausgaben. Gewidmet ist sie auf Mekas Wunsch der radikalen Künstlerin Barbara Rubin, die 1980 mit 35 Jahren starb. Und wie so oft in der Geschichte des Magazins steht der Erscheinungstermin noch nicht ganz fest.

„Edit Film Culture“ Ausstellung, Savvy Contemporary im Silent Green, bis 22. 7., Mo–Fr 14–19 Uhr, Sa/So 11–19 Uhr

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