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Daniel Craig, mit Filmpartnerin Léa Seydoux, kommt mit dem 25. Bond-Abenteuer „Keine Zeit zu sterben“ am 2. April ins Kino.

© Universal

Vorschau auf das Kinojahr 2020: Diese Themen werden die Filmbranche im nächsten Jahr beherrschen

Disney dominiert die Konkurrenz, Daniel Craig kehrt als James Bond zurück, und die Oscars finden vor der Berlinale statt: Das bringt das Kinojahr 2020.

Von Andreas Busche

Um die Zukunft des Kinos zu prophezeien, reicht ein Blick in die Gegenwart: auf die Kinozahlen des (noch) laufenden Jahres. Von den zehn weltweit erfolgreichsten Filmen stammen sieben aus dem Haus Disney. „Avengers: Endgame“, „Der König der Löwen“, „Toy Story 4“, „Captain Marvel“, „Die Eisprinzessin 2“, „Aladdin“ und „Star Wars: The Rise of Skywalker“ haben zusammen über zehn Milliarden Dollar eingespielt.

So eine Akkumulation von Markt- und Markenmacht hat es in der Geschichte des Kinos noch nicht gegeben – und da sind die Titel des Studios 21st Century Fox nicht einmal mitgezählt, das Disney 2018 für über 70 Milliarden Dollar übernahm. Mickey Mouse und die Simpsons, „Avatar“ und „Star Wars“, alles unter einem Dach.

Zwar wird seit über einem Jahrzehnt die „Franchisierung“ Hollywoods kritisiert, aber der Blick auf die diesjährigen Zahlen ist wirklich ernüchternd. Dem Disney-Frontalangriff konnten sich in den Top Ten nur zwei weitere Superhelden (Spider-Man, Joker) und ein Sequel (Es Kapitel 2) widersetzen.

Doch der Erfolg der ewig recycelbaren Inhalte gibt dem Studio ja recht, das astronomische Summen für die Lizenzen der Konkurrenz ausgegeben hat. An dieser Vormachtstellung wird sich in absehbarer Zeit nichts ändern.

Dass der Mauskonzern im Dezember in den USA zudem seine Streamingplattform Disney + gestartet hat, ist auch keine gute Nachricht für Netflix, Amazon und Apple TV, die sich künftig ebenfalls mehr auf Eigenproduktionen verlegen müssen, weil die fetten Blockbuster bald nur noch bei Disney laufen werden.

Imponierende Liste von Netflix-Regisseuren

Diese Entwicklung in der Filmindustrie steht im direkten Zusammenhang mit dem Boom der Streamingproduzenten Netflix und Amazon, die den einstigen Autorenfilmern, die früher wenigstens noch bei den Arthouse-Ablegern der Studios unterkamen, heute ein neues Zuhause bieten.

Die Liste mit Namen von Regisseurinnen und Regisseuren, deren neue Filme allein in diesem Jahr von Netflix finanziert wurden, ist prominent, darunter Martin Scorsese, Steven Soderbergh und Noah Baumbach, außerdem J.C. Chandor, Fernando Meirelles, Cannes-Preisträgerin Mati Diop sowie David Michôd.

Dafür nur Netflix zu kritisieren, ist zu einfach. Mit einem Disney-Anteil von über 40 Prozent auf dem US-Markt bleiben für andere Verleiher kaum noch genug Leinwände übrig. Die wollen ihr Risiko minimieren; so sortieren Franchises den Markt völlig neu.

Herbst des Autorenkinos

Von den Autorenfilmern im klassischen Sinn schafften es 2019 einzig Jordan Peele („Wir“) und Quentin Tarantino („Once upon a Time in Hollywood“) in die US-Top-20.

Zu den wenigen Regisseuren, denen es immer mal wieder gelingt, mit originären Geschichten bei der Kritik und an den Kinokassen Erfolge zu verzeichnen, gehört auch Christopher Nolan. Der Trailer zu seinem Film „Tenet“, einem Agenten-Thriller mit Zeitreise-Elementen, lässt immerhin hoffen, dass sich die Risikobereitschaft von Warner Bros., die im kommenden Jahr auch Denis Villeneuves „Dune“ in die Kinos bringen (wohl eher eine Neuverfilmung von Frank Herberts Science-Fiction-Roman als ein David-Lynch-Remake), auszahlt.

Ein anderer Fixpunkt im kommenden Kinojahr ist zweifellos der 25. Bond-Film „Keine Zeit zu sterben“ – vermutlich auch der endgültig letzte Film mit Daniel Craig, bevor Idris Elba hoffentlich doch die Rolle des berühmtesten Geheimagenten der Welt antritt. James Bonds Agentensignatur 007 übernimmt zur Einstimmung schon mal die afrobritische Schauspielerin Lashana Lynch.

Alles neu bei der Berlinale

Wohin die Zukunft des Kinos führt, fragt man sich in diesem Jahr auch in Berlin, wo die Berlinale zu ihrem 70. Jubiläum gleich mit zwei Neuheiten aufwartet. Mit Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek wird am Potsdamer Platz die Doppelspitze eingeführt, außerdem findet die Berlinale 2020 nach der Oscar-Verleihung statt – wodurch das ohnehin überschaubare Interesse Hollywoods wohl weiter schwinden wird.

Neu-Berliner Chatrian hat in seiner Funktion als künstlerischer Leiter den notorisch innovationsskeptischen Berlinern, die sich aber mit jedem noch so abwegigen Behelfskonstrukt tapfer zu arrangieren verstehen (Hassliebe ist in dieser Stadt ein Überlebensmodus), vorab schon mal eine Glitzerdiät verordnet: Die Berlinale sei keine „Glamourmaschine“, erklärte er kürzlich in Berlins einzigem Boulevardblatt.

Hoffentlich unterschätzt Chatrian da nicht die Klientel des größten Publikumsfestivals. Die interessanten Filme aus Hollywood ließen sich in den vergangenen Jahren zwar an einer Hand abzählen, aber auch das Schöne, Gute, Wahrhaftige des Kinos braucht eine glänzende Projektionsfläche. Berlin will sich nicht nur für Kinokarten die Beine in den Bauch stehen, sondern auch am roten Teppich für ein Selfie mit seinen Stars.

Streaming bleibt eine Herausforderung

Die Frage, welche Rolle Filmfestivals zukünftig in der überhitzten Aufmerksamkeitsökonomie spielen wollen, muss man sich allerdings auch in Cannes (Arthouse plus Glamour minus Netflix) und Venedig (Oscar-Rampe mit garantiertem Midas-Effekt, siehe auch dieses Jahr wieder mit „Joker“) stellen.

Ist das Prinzip „Exklusivität“ in Zeiten von Streamingflatrates überhaupt noch zeitgemäß? In Cannes lief der diesjährige Eröffnungsfilm „The Dead Don’t Die“ zeitgleich auf 600 Leinwänden in ganz Frankreich. Und will man wirklich durch einen sturen Netflix-Boykott eine ganze Generation nachwachsender Filmfans dem Kino entfremden?

Letztere Frage müssen sich auch die Kinobetreiber stellen. „Roma“, „The Irishman“ und „The Marriage Story“ haben erneut gezeigt, dass Kinos und Streamingportale keine Konkurrenten sind, sondern sich ergänzende Angebote. Mit Zwangsmaßnahmen wird kein Filmfan zurückgewonnen.

Es ist daher unerklärlich, einen Scorsese-Film nicht im Kino zu zeigen, was Netflix neuerdings ja anbietet. Der Widerstand wird ohnehin bröckeln, spätestens wenn in zwei Jahren die nächste Novelle des Filmfördergesetzes Netflix, nachdem die ebenfalls zum Einzahlen verdonnert wurden, offiziell als Akteur auf dem deutschen Kinomarkt anerkennt. Und so Tatsachen schafft.

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