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Er kann Massen bewegen. Regisseur Valentin Schwarz, 29.

© Sebastian Kahnert/dpa

Vom Einspringer zum Medienstar: Valentin Schwarz verzaubert die Opernwelt

Im Sommer inszeniert Valentin Schwarz bei den Bayreuther Festspielen. Zuvor bringt er in Dresden Offenbachs „Banditen“ zur Strecke.

Da hat der Zufall der neuen Dresdner Staatsoperetten-Intendantin Kathrin Kondaurow einen echten Coup beschert: Als sie Valentin Schulz für Jacques Offenbachs „Les Brigands“ engagierte, war er nur ein talentierter Newcomer.

Beide kannten sich vom Nationaltheater Weimar, wo Kondaurow zuvor Dramaturgin gewesen war und der junge Österreicher Gastregisseur. Doch dann wurde der 29-Jährige mit der auffälligen Lockenmähne über Nacht zum Medienstar.

Als nämlich Katharina Wagner verkündete, er werde bei den Bayreuther Festspielen in diesem Juli den neuen „Ring des Nibelungen“ inszenieren. Selbst der Jahrhundert-Debütant Patrice Chéreau war 1976 zwei Jahre älter gewesen, als er auf dem Grünen Hügel seine legendäre Produktion der Tetralogie herausbrachte.

Kein Wunder, dass zur Dresdner Offenbach-Premiere jetzt Musikkritiker aus allen Landesteilen anreisten. Denn gerade im so schweren Leichte-Muse-Genre müssen Regisseure zeigen, dass sie es wirklich können. Zumal Valentin Schwarz den negativen Nimbus zu zerstreuen hat, nur zweite Wahl zu sein.

Eigentlich sollte die gestandene Regisseurin Tatjana Gürbaca 2020 den „Ring“ in Bayreuth schmieden, als erste Frau in der Geschichte der Festspiele.

Fingerübung wird zur Feuertaufe

Doch dann sagte Gürbaca ab, wegen unzulänglicher Probenzeiten. Da fiel der in Bedrängnis geratenen Katharina Wagner das Inszenierungskonzept von Valentin Schwarz wieder ein, das er ihr 2017 zugesteckt hatte, als sich beide beim Grazer Regie-Nachwuchs-Wettbewerb „Ring Award“ kennenlernten. Sie rief ihn an – und er war verwegen genug zuzusagen.

So wurde die eigentlich harmlose Fingerübung mit Offenbachs opera buffa an der Dresdner Staatsoperette nun zur Feuertaufe des Bayreuth-Einspringers. „Les Brigands“, uraufgeführt 1869 in Paris, gehört zu den Nebenwerken des Komponisten, die Karikatur der französischen Gesellschaft fällt hier weniger bissig aus als im „Pariser Leben“ oder „Orpheus in der Unterwelt“.

Die Geschichte um den Räuberhauptmann Falsacappa und seine lebenslustige Truppe kann ein netter Ulk sein, wenn sie mit Lust am Wortwitz und Gespür fürs Boulevardtheater-Timing inszeniert wird. 1989 inszenierte Harry Kupfer die „Banditen“ so an der Komischen Oper, 1978 hatte es Peter Ustinov an der Deutschen Oper ebenso gehalten.

Die Welt im kollektiven Rausch

Der unter verschärfter Feuilleton-Beobachtung stehende Valentin Schwarz will jetzt natürlich mehr bieten. Er möchte auf dem „schmalen Grat zwischen Exzess und Trauma“ tanzen, wie er im Programmheft erklärt, „die Verkehrung der Welt im kollektiven Rausch und anschließender Ernüchterung“ zeigen.

Also setzt er seinen Ehrgeiz nicht daran, die schon im Original ziemlich durchgeknallte Story mit diversen hanebüchenen Handlungssträngen und 25 verschiedenen Rollen so zu erzählen, dass die Zuschauer ihr überhaupt folgen können.

Ob hier noch irgendwer durchblickt, ist ihm wurst. Lieber schüttet er alles, was ihm in Sachen Kalauer und Klamauk einfiel, auf einen Haufen – und lässt sich dann vom Strom der eigenen Assoziationen mitreißen.

Da mag Andreas Schüller, der Chefdirigent der Dresdner Staatsoperette, mit seinem Orchester noch so darum ringen, Offenbachs Musik mit trockenem Humor zu servieren, also maximal präzise auf die musikalischen Pointen hin ausgerichtet. Das wüste Geschehen auf der Bühne walzt alle Eleganz der Offenbachschen Klangsprache platt, jegliche Zwischentöne gehen unter im Gag-Gewitter.

Schaumparty und Rap mit Beatboxbegleitung

„Der Schuh des Manitu“ und die Filme von Louis de Funès sind leicht als Inspirationsquellen zu identifizieren, es wird gezappelt und gehampelt, gesoffen, geblödelt und gekifft auf Andrea Cozzis Wildwest-Bühne, jeder bespringt jeden, vom Österreichischen bis zum Sächsisch reizt man das Komikpotenzial diverser Mundarten aus, es gibt eine Schaum-Party und einen Rap mit Beatboxbegleitung.

Der Aufwand für diese Rocky Horror Operetten Show ist enorm, kein Feature der Bühnentechnik bleibt ungenutzt, der Orchestergraben fährt rauf und runter. Otto Krause hat unzählige schrille Kostüme entworfen, die Herren vom hauseigenen Ballett treten als tanzende Polizisten auf, immer wieder wird die Spielsituation bewusst gestört. Mal muss der Regieassistent Requisiten hereinreichen, dann wieder soll die Aufführung aus baupolizeilichen Gründen abgebrochen werden.

[Die Staatsoperette Dresden spielt „Die Banditen“ wieder am 7./8. März sowie im April, Mai und Juni.]

Im 3. Akt, da die Geduld der Zuschauer schon arg strapaziert ist, fügt Schwarz eine gesellschaftskritische Diskurspassage ein und lässt dann ein langes Moralgedicht rezitieren. Schließlich wirft er noch eine Schippe Blasphemie hinten drauf: Nachdem Offenbachs Finale verklungen ist, müssen es die sieben letzten Worte des Erlösers am Kreuz sein, bevor der Chor Bachs „Ich steh an deiner Krippen hier“ anstimmt.

An Fantasie mangelt es Valentin Schwarz wahrlich nicht. Er kann Massen bewegen und Sänger dazu bringen, zugunsten von enthemmter Schauspielerei ihr Bedürfnis hintan zu stellen, sich auf die bestmögliche Tonerzeugung zu fokussieren.

Bei den Bayreuther Festspielen allerdings werden ihm diese Qualifikationen wenig nützen. Richard Wagners 16-Stünder als Parforce-Performance, als szenisches Mix-Tape, das kann nicht funktionieren.

Wo in den Weiten des nordischen Mythos wenig passiert, ist Handwerk gefragt, detailgenaue Personenführung, psychologisches Einfühlungsvermögen. Und eine virtuose Zeit-Ökonomie in der Probenarbeit. Womöglich aber hat der selbstbewusste Einspringer Valentin Schwarz das auch drauf.

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