zum Hauptinhalt
Edward Burtynsky, „Salt Ponds #6“ Near Tickat Banguel, Senegal (2019), 149 x 198 cm

© Edward Burtynsky

Vergiftete Schönheit: Edward Burtynskys „African Studies“ in der Galerie Springer

Der berühmte Fotograf dokumentiert den gigantischen Abbau von Bodenschätzen auf Kosten von Landschaft und Gesundheit.

Die Sorge um die Natur und den Fortbestand des Lebens ist ein Dauerthema der Fotografie geworden, und ohne zu übertreiben, kann Edward Burtynsky, 1955 in Kanada als Sohn ukrainischer Eltern geboren, als einer der Wichtigsten und Renommiertesten auf diesem Gebiet gelten. In der Galerie Springer hat er seit Jahren eine verlässliche Dependance für seine mehr und mehr raumgreifenden Serien. In bester Erinnerung sind die Arbeiten aus „Antropozene“ (2019), die Beispiele einer hemmungslosen Ausplünderung der Erde vor Augen stellten, etwa den umkämpften Tagebau Garzweiler oder – weniger umkämpft – die Marmorbrüche im italienischen Carrara.

Waren die Reisen zu diesen Orten noch überschaubar, so bedurfte es für die „African Studies“ schon kräftiger Sponsoren, um den Kontinent erst einmal erkunden und Aufnahmepositionen hoch in der Luft einnehmen zu können. Es ging um gigantische Tagebauunternehmen in Äthiopien, Kenia, Namibia, Senegal und Südafrika, wo Schwefel, Kohle, Eisen, Diamanten und Kalisalze gefördert werden. Zum Nutzen unseres Wohlstandes, auf Kosten des afrikanischen Kontinents und seiner Bewohner nebst Tier- und Pflanzenwelt. „Die letzte große Expansion der Welt“, sagen Experten.

Burtynsky stand vor der Wahl, den herkömmlichen Weg zu gehen und für die Kamera einfach einen günstigen Standort zu finden, von dem aus ein Überblick über die Gruben und wie sie sich in die Erde fressen zu gewinnen gewesen wäre. Doch nur einen Ausschnitt zu erfassen, befriedigte den Fotokünstler nicht. Alle Bedenken und Kostenfragen beiseite schiebend, wählte er den Blick von oben, wie man ihn aus Spionageaufnahmen eines Satelliten kennt. Ein Helikopter war für ihn genau das Richtige, um zu spiegeln, was unten in den Gruben geschieht, wie Land und Luft sich giftig verfärben, wie alles fremd aussieht – und dann doch wieder eine eigentümliche, anziehende und zugleich abstoßende Schönheit annimmt.

Sind das vielleicht abstrakte Kompositionen?

Beim ersten Blick könnte man die von der Galerie Springer präsentierten, überaus großformatigen Drucke der bildenden Kunst zuordnen. Lassen da nicht Gustav Klimt und Informel grüßen? Ein Meer aus farbigen Punkten breitet sich aus, ein Gefüge aus unregelmäßigen Flächen lässt ein Salzbergwerk (in Senegal) vermuten, ein wolkenartiges, weißgraues Gebilde vor einem grün schillernden Hintergrund lässt staunen. Die Nebel gehören zu einem Tagebau in Südafrika, wo extrem giftiger Kohlestaub mittels Wasser an der Ausbreitung gehindert wird. Oder wie mit dem Pinsel gezogene Wege und Wasserbahnen laufen strahlenförmig auf jenen Punkt zu, wo die Diamanten aus dem Gestein gebrochen werden.

Doch es bedarf der Erklärung durch den Fotografen oder die kenntnisreichen Galeristen, um aus den fotografischen Kompositionen der Digitalkamera und der Computerbearbeitung zumindest ansatzweise darauf schließen zu können, was hier geschieht. Dann scheint einmal der Anblick einer übermächtigen Düne in der namibischen Kalahari-Wüste durch Naturfarben Erholung zu bieten und vom Rätseln, was da unten überhaupt geschieht, einen kurzen Halt zu gönnen. Ansonsten blicken wir immer wieder in eine Wüste voller vergifteter Schönheit. Soll, kann sie dazu verführen, über die Zerstörungen in Afrika mehr nachzudenken, als wir es bisher vielleicht taten?

Der Widerspruch zwischen Aufklärung und Ästhetik verleiht den Arbeiten von Edward Burtynsky seit jeher einen eigentümlichen Reiz. Sollte der Ästhet mit dieser Serie endgültig über den Fotografen gesiegt haben, der doch Sinn und Thema ins Bild bringen muss, wenn er eine Er-Kenntnis der Welt vermitteln will? Darf man, bei allem Respekt, von einem Alterswerk sprechen? Oder nur ein neues Experiment konstatieren, das seine Absicht vor sich her trägt, um sie hinter der Faszination gleich wieder zu verstecken? Die Preise liegen kühn zwischen 21.000-48.500 Euro, der Preis für das Fotobuch „African Studies“ (Steidl Verlag) bei 95 Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false