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Legende. Tony Allen, geboren 1940 in Lagos.

© Bernard Benant

Tony Allen im HKW: Unwiderstehlicher Beat

100 Jahre Beat Festival: Der nigerianische Schlagzeuger Tony Allen spielt Art Blakey im HKW. Er lässt hitzige Hard-Bop-Nummern unfassbar entspannt klingen.

Schlagzeugspielen, Mann! Du kannst jede Menge Geräusche machen, mit wenig Personal! Wer wüsste das besser als Tony Oladipo Allen, der sich an der Seite von Afrobeat-Legende Fela Kuti zum Zeremonienmeister nicht enden wollender Trance-Grooves getrommelt hat. Im August wird er 78. Aber er ist immer noch fit, sieht gut aus und spielt überragend.

Zum Abschluss des Festivals 100 Jahre Beat liefert der Trommel-König aus Nigeria im ausverkauften Haus der Kulturen der Welt ein Lehrstück in Sachen Groove ab, das zum Anrührendsten und Wunderbarsten gehört, was einem zu dem Thema vorgeführt werden kann. Schon die ersten Sekunden verdeutlichen das Besondere jedes Tony-Allen-Konzerts: Wie er mit lässiger Altmännergröße scheinbar mühelos komplexe Polyrhythmen schlägt und mit seiner Begleitband einen Raum zum Wegdriften aufklappt. Dabei schließen sich gleich mehrere Kreise, wenn eine Schlagzeug-Legende der anderen Tribut zollt und Allen neben der Eigenkomposition „On Fire“ ausschließlich Stücke spielt, die in den Händen von Art Blakey zu Klassikern des Jazz wurden. Der 1990 gestorbene, legendäre US-Bandleader, der in den 40ern Afrika bereiste, um traditionelle Rhythmen zu studieren, war ein wichtiger Einfluss für den nigerianischen Beat-Innovator, der wiederum den Jazz mit Yoruba-Rhythmen verband und im letzten Jahr für das Label Blue Note eine famose EP mit Blakey-Stücken einspielte. Auch live verwandeln sie sich in lässige Afrobeat- Versionen: Bill Hardmans „Politely“, Dizzy Gillespies „A Night in Tunisia“, Bobby Timmons „Moanin’“ und Blakeys „Drum Thunder Suite“. Dazu kommen Bronislaw Kapers „Invitation“ als Eröffnungsstück und Curtis Fullers „Alamode“ als Zugabe.

Schlapphut, Sonnenbrille und ein breites Grinsen

Unfassbar, wie entspannt diese hitzigen Hard-Bop-Nummern klingen, wenn Allen in rastloser Vorwärtsbewegung mit zischenden Becken und doppelt angeschlagener Basstrommel einen unwiderstehlichen Beat zusammenwirbelt. Das schlichte Arrangement und die kurzen Soli schaffen Raum für einen sensationellen Groove, der so schwerelos durch den Saal schwirrt wie die Geister von Fela Kuti und Art Blakey. Während der Mann am Kontrabass aufpasst, das nichts davonfliegt, schieben sich Posaune, Tenor- und Altsaxofon abwechselnd mit feinfühligem Geknatter in den Vordergrund. Herausragend ist der Pianist, der an den Rändern kleine Tastenfeuer entfacht und bei „A Night in Tunisia“ wunderbaren Scat- Gesang beisteuert.

Im Mittelpunkt steht aber der ultracoole Allen, der mit Schlapphut, Sonnenbrille und einem breiten Grinsen auf seinem Podest sitzt und feinste dynamische Details spielt, die einem den Atem verschlagen. Dabei zeigt sich einmal mehr, das die lakonische Wucht hinter seinem Spiel noch nicht verbraucht ist und er sich bei aller Lässigkeit des Materials eine mitreißend-jazzige Musikalität bewahrt hat. Schön zu beobachten: Wie der große Trommel-Unterhalter mit konzentriertem Schwung sich und die Welt in Bewegung hält. Magisch, betörend, zeitlos.

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