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Finesse und Farbe. Chefdirigent des DSO, Tugan Sokhiev.

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Tugan Sokhiev und das DSO: Gift der grünen Augen

Vor dem Abschied: Tugan Sokhiev spielt mit dem DSO Dutilleux, Prokofjew und Mussorgski.

„Ferne Welten“ erschloss Tugan Sokhiev dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin in vier gemeinsamen Jahren und präsentiert sie noch einmal kurz vor seinem Abschied: So lernte das DSO „französischen Klang“, seine Finesse, Fragilität und Farbigkeit. Das Konzert für Violoncello und Orchester, dem Henri Dutilleux mit seinem Solisten Mstislav Rostropowitsch 1970 einen fulminanten Erfolg bescherte, bietet das im Übermaß und verlangt eine entsprechend sensitive Ausführung. Ferne, rätselhafte Welten beschwört der Titel „Tout un monde lontain“; Baudelaires Gedichtzyklus „Die Blumen des Bösen“ inspirierte Dutilleux zu fünf ausladenden, mit düster-poetischen Sentenzen überschriebenen Sätzen.

Schon der „Enigma“ genannte Beginn, der Gautier Capuçons geheimnisvoll aus der Tiefe aufsteigende und im Glissando zerbröselnde Cellolinie mit einem wolkigen Beckenschlag abfedert, ist von äußerster Delikatesse, um nicht zu sagen Dekadenz im ständigen Zerfall schillernder Klangpartikel.

Bei Prokofjew zeigt Sokhiev seine Fähigkeit zur flexiblen Tempogestaltung

Betörend schön die schmerzlichen Kantilenen über zartem Streicherteppich, die vom „Gift der grünen Augen“ sprechen, das Xylofon und Harfe einträufeln; eindrucksvoll das aufbrausende Passagenwerk, das sich gegen Blechbläserstöße behauptet. Doch „Luft von anderem Planeten“ verspürt man hier kaum; vielmehr ist sie nach Baudelaire „längst verweht“, in den Redundanzen bekannt erscheinender Figurationen sogar ein wenig abgestanden. Da wünscht man sich fast etwas mehr Avantgarde, gegen deren Erstarrung das Werk zu seiner Entstehungszeit mit mutigen Romantizismen ankämpfte.

Auf den klangprächtigen Effekt setzt auch das umrahmende Programm. Russisches ist der zweite erfolgreich entwickelte Repertoirestrang. In Prokofjews Suite „Leutnant Kische“ blitzen ironische Glanzlichter von scharfer Trompete und putziger Piccoloflöte; Persiflage des Militärischen. Hier zeigt sich noch einmal Sokhievs Fähigkeit zur flexiblen Tempogestaltung, die verschiedene von Quasi-Zitaten durchsetzte Klangschichten plastisch voneinander abgrenzt.

Merkwürdig behäbig dagegen Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ in Ravels knallbunter Orchesterfassung – so dominiert der „Maestoso“-Bombast, in dem die Präzision zuweilen leidet: so stolpern die Küchlein leicht in ihren Eierschalen, und auch die Tuba der „Katakomben“ hängt etwas durch – vielleicht ist die Luft bei diesem winning team ja schon ein bisschen raus.

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