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Exilantin. Asli Erdogan lebt inzwischen in Deutschland. Foto: Daniel Roland / AFP

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Türkische Schriftstellerin erneut angeklagt: Doch kein Freispruch für Asli Erdogan

Wegen angeblicher Terrorpropaganda: Die Schriftstellerin Asli Erdogan ist in der Türkei erneut angeklagt – sie ist nicht die Einzige.

Asli Erdogan lebt schon mehr als drei Jahre nicht mehr in der Türkei, aber die Justiz ihres Heimatlandes verfolgt die Schriftstellerin immer noch als Terrorverdächtige. Ein Berufungsgericht hob jetzt auf Antrag der Anklage den Beschluss eines Istanbuler Schwurgerichtes auf, das auf eine Bestrafung Erdogans wegen angeblicher Verbreitung von Terrorpropaganda in einer pro-kurdischen Zeitung verzichtet hatte.

Auch bei anderen Intellektuellen hatte die türkische Justiz frühere Freisprüche im Zusammenhang mit der Zeitung aufgehoben. Das deutsche PEN-Zentrum fordert deshalb „deutliche Reaktionen“ von der Bundesregierung.

Die 54-jährige Erdogan ist Stipendiatin im Writers-in-Exile-Programm des deutschen PEN-Zentrums, das aus dem Etat des Berliner Kanzleramtes finanziert wird. Erdogan ist vielfach ausgezeichnet worden, etwas mit dem Simone de Beauvoir-Preis und den Vaclav-Havel-Preis.

Erdogan war Kolumnistin bei einem pro-kurdischen Blatt

In der Türkei war Erdogan ihr Nebenberuf als Zeitungskolumnistin zum Verhängnis geworden, den sie bei der linksliberalen Zeitung „Radikal“ begann und später beim pro-kurdischen Blatt „Özgür Gündem“ (Freie Tagesordnung) fortsetzte. Bei „Özgür Gündem“ erschien ihr Name sogar im Impressum – was von der Staatsanwaltschaft als Beleg ihrer staatsfeindlichen Gesinnung ausgelegt wurde.

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Die Zeitung steht der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) nahe, die seit 1984 gegen Ankara kämpft und die sowohl in der Türkei als auch im Westen als Terrororganisation eingestuft wird.

2017 konnte sie die Türkei verlassen, nach vier Monaten Haft

Als nach dem Putschversuch von 2016 die Welle von Verhaftungen mutmaßlicher Regierungsgegner in der Türkei begann, stürmte die Polizei Erdogans Wohnung in Istanbul und nahm sie fest. Wegen des Verdachts auf „Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation“ wurde sie in Untersuchungshaft gesteckt. Vergeblich betonte die Autorin, ihre Erwähnung im Impressum sei eine reine Formalität gewesen.

Sie habe nichts mit irgendeiner Terrororganisation zu schaffen. Erdogan blieb über vier Monate in Haft und konnte die Türkei im September 2017 verlassen.

Wie die Schriftstellerin kamen auch Menschenrechtler, Journalisten und Vertreter der Zivilgesellschaft wegen ihres Engagements bei „Özgür Gündem“ vor Gericht. Der Journalist Mehmet Yilmaz und andere Beobachter waren damals überzeugt, dass es der Regierung nach dem Putschversuch nicht um die Verfolgung mutmaßlicher Staatsfeinde ging: Es gehe um den „Wunsch, die Situation auszunutzen und oppositionelle Stimmen zum Schweigen zu bringen“, so Yilmaz.

Wirklich keine Strafe für Erdogans Zeitungsbeiträge?

Der Prozess gegen Erdogan ging nach der Ausreise der Autorin weiter. Im Februar 2020 sprach das 23. Schwurgericht in Istanbul die Schriftstellerin von den Vorwürfen der Mitgliedschaft in einer Terrororganisation und der staatsfeindlichen Aktivitäten frei. Der Vorwurf der Verbreitung von „Propaganda einer Terrororganisation“ wurde fallen gelassen, weil er laut dem türkischen Presserecht verjährt sei.

Jetzt entschied ein Berufungsgericht, die Istanbuler Richter müssten sich erneut mit der Frage befassen, ob Erdogans Zeitungsbeiträge tatsächlich nicht mehr bestraft werden könnten.

Andere Angeklagte sind bereits zu Haft verurteilt worden

Nicht nur bei Erdogan sind frühere Freisprüche im Zusammenhang mit „Özgür Gündem“ kassiert worden. Auch Erol Önderoglu, Türkei-Vertreter der Pressefreiheitsorganisation Reporter ohne Grenzen, die Präsidentin der türkischen Ärztekammer, Sebnem Korur Financi, und der Journalist Ahmet Nesin waren 2019 freigesprochen worden. Seit Mai stehen sie wieder vor Gericht. Ihr Verfahren geht im September weiter.

Bei anderen Angeklagten gab es inzwischen Schuldsprüche. Im Februar wurden die Menschenrechtsanwältin Eren Keskin und der Journalist Inan Kizilkaya wegen ihrer Tätigkeit für „Özgür Gündem“ zu jeweils sechs Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt.

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