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Feuerwerk auf zwei Beinen. Sarah Bowden als Marylou.

© Robert-Recker.de

„Märchen im Grand-Hotel“ in der Komischen Oper: Trinkgeld regiert die Welt

Eine rasante Feier der Lebensfreude: Die Komische Oper zeigt Paul Abrahams „Märchen im Grand-Hotel“.

Wenn das kein Karrieresprung ist: vom Milchmann zum Zimmerkellner! Max Hopp, der gerade einen ganz wunderbar warmherzigen Tevje in der neuen „Anatevka“-Produktion spielt, steht am Sonntag im Frack auf der Bühne der Komischen Oper. Und sieht sehr elegant darin aus. Er spielt den Albert in der alljährlichen konzertanten Operetten-Ausgrabung des Hauses: Nach fünf Raritäten aus dem Oeuvre von Emmerich Kálmán steht jetzt Paul Abraham im Fokus, konkret die „Märchen im Grand- Hotel“.

Mopp alias Albert ist darin nur zum Schein ein Angestellter. In Wahrheit gehört seinem Vater das Hotel. Doch auch das reicht nicht aus, um seine Angebetete zu beeindrucken. Schließlich ist Isabella die Infantin von Spanien. Sicher, in der 1934 uraufgeführten „Lustspieloperette“ ist die Königsfamilie seit drei Jahren abgesetzt, was den historischen Tatsachen entspricht. Und zudem absolut pleite, was die Librettisten Alfred Grünwald und Fritz Löhner-Beda frei hinzuerfunden haben, um die satirische Nebenhandlung um das letzte verbliebene Erbschmuckstück einführen zu können – das sich als Fälschung herausstellt, weil ein liebestoller Urahn das Original schon vor langer Zeit einer russischen Primaballerina zu Füßen gelegt hat.

Frech-frivole Vergnügungsästhetik der späten Weimarer Republik

Finanznot hin oder her – eine Blaublütige lässt sich doch nicht mit dem Geldadel ein, erklärt Isabella! Und wird erst weich, als Albert sich vom ebenfalls bankrotten Balkan-Herzog adoptieren lässt. Ihr Verlobter, Prinz Stephan Andreas von Habsburg-Lothringen, ist da weniger snobistisch und hat längst mit Marylou Macintosh angebandelt, der Tochter eines Hollywood-Produzenten. Die ihrerseits mit dem Ziel ins Grand-Hotel an der Côte d’Azur gekommen war, um Ideen für einen Film über Adlige im Exil zu sammeln. In dem Isabella schließlich tatsächlich die Hauptrolle übernehmen wird, an der Seite ihres Albert.

Es ist der Kniff der Handlung, dass sich die Paare hier über Kreuz finden und nicht – wie in der konventionellen Operette üblich – jeweils hübsch auf ihrer Gesellschaftsebene, der niederen respektive der gehobenen. Und darum wäre die Chose zweifellos wieder ein Hit geworden, wenn sie im babylonischen Berlin hätte herauskommen können. Denn „Märchen im Grand-Hotel“ bedient genauso die frech-frivole Vergnügungsästhetik der späten Weimarer Republik wie Paul Abrahams vorangegangenen Werke „Viktoria und ihr Husar“, „Blume von Hawaii“ und „Ball im Savoy“.

Abraham flüchtet vor den Nazis

Doch auf dem Höhepunkt seiner Karriere machten die Nazis ihm einen Strich durch die Tantiemenrechnung. Mit dem ganzen jüdisch geprägten Metropolenentertainment wurden seine Werke verboten, „Märchen im Grand-Hotel“ vermag im bereits reaktionär versteinerten Wien nur einen Achtungserfolg zu erringen. Abraham selber flüchtet über Budapest, Prag, Paris und Havanna schließlich nach New York. Doch es gelingt ihm kein Neuanfang in den USA, eine unbehandelte Syphilis zerrüttet seine Psyche. Bis zu seinem Tod 1960 wird er nicht wieder in die Realität zurückfinden.

Es ist also nur konsequent, wenn Chefdramaturg Ulrich Lenz am Sonntag das Publikum um Spenden für Flüchtlinge von heute bittet – am Ende eines Abends, der zuvor eine pure Feier der Lebensfreude war. Rasant ist das Tempo in dieser auf 90 Minuten konzentrierten Fassung, Tausendsassa Max Hopp schmachtet nicht nur als Alfred seine Isabella an, sondern rafft auch noch als Conférencier die Handlung, wann immer die sich in Komödienkomplikationen zu verzetteln droht. Nicht minder flamboyant agiert Adam Benzwi als musikalischer Leiter, lässt die Finger über die Klaviertastatur fliegen, sorgt dafür, dass die Quicksteps, Tangos und Walzer in die Beine gehen. Und das Orchester der Komischen Oper fächert dazu das schillernde Klangfarbenspektrum von Abrahams Musik auf.

Ein „Feuerwerk auf zwei Beinen“ nennt Max Hopp die Marylou – und genau das ist Sarah Bowden, singend, steppend, mit dem Saal flirtend. Philipp Meierhofer gibt ihren duften Daddy, Johannes Dunz ist ein fideler Ösi-Prinz, Talya Lieberman eine stimmlich noble Infantin. Und Tom-Erik Lie lässt sich die Chance natürlich nicht entgehen, als schmallippige Hofdame die Charleys-Tante-Nummer abzuziehen.

Noch einmal live am 30. Dezember. Deutschlandfunk Kultur sendet einen Mitschnitt am 31. Dezember um 20.10 Uhr.

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