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Meg Hewitt: „Girl with a selfie stick“, Kyoto 2016.

© Meg Hewitt / Anne Clergue Galerie

Tokyo mon amour: Meg Hewitt tanzt aus der Reihe

Die australische Fotokünstlerin stellt erstmals in Deutschland aus und wirft einen ganz eigenen Blick auf Japan nach Fukoshima.

Mit Katastrophen kennt sie sich aus, sagt Meg Hewitt. Die Fotografin stammt aus Australien, und die Natur sorgt hier immer wieder für Extreme. Umso sensibler habe sie auf die Nachrichten aus Japan vor mehr als einem Jahrzehnt reagiert: das Seebeben und die daraus resultierende nukleare Verstrahlung von Fukushima. Einem Impuls der Solidarität folgend, reiste Hewitt vier Jahre später in jenen anderen Inselstaat, um herauszufinden, wie es dem Land geht.

Eine vielschichtige Liebe

Aus dieser Reise resultiert eine vielschichtige Liebe. Sie schlägt sich in wiederholten Japan-Besuchen nieder, während derer unter anderem Hewitts Fotoserie „Tokyo is yours“ entstand. Aktuell wird sie in der Photo Foundation Chaussee 36 gezeigt: 68 schwarz-weiße Bilder aus der eigensinnigen Perspektive der 1973 in Sydney geborenen Künstlerin, die 2018 mit einer Goldmedaille auf der Tokyo International Foto Competition ausgezeichnet wurde und erstmals überhaupt in Deutschland ausstellt.

Hewitt hat Bildhauerei und Malerei studiert, widmet sich aber seit 2010 der Fotografie. Und obwohl die Bilder auf den ersten Blick dokumentarisch wirken, schraubt die Künstlerin ganz schön an der Ästhetik herum. Oft handelt es sich um Nachtaufnahmen, Ergebnisse ihrer meist zwölfstündigen Rundgänge durch Tokyo: Der Blitz fokussiert einen Ausschnitt und taucht alles andere ins Dunkel. Die Verwendung von mit Silber beschichteten Papier, einer historischen Technik der Fotografie, erlaubt der Künstlerin dann weitreichende Nacharbeiten beim Entwickeln ihrer Filme.

Aufräumen über Nacht

Die Bilder wirken grobkörnig, die Situationen geraten aus der Balance und vermitteln Surreales. Die Unsicherheit und Zerbrechlichkeit einer Gesellschaft – hier manifestiert es sich im Brüchigen von Graffitis und schrägen Momentaufnahmen. Obwohl, so Hewitt, die japanische Metropole alles tut, um blitzschnell aufzuräumen, damit man nicht unter ihre blanke Oberfläche schaut. Schein ist alles.

Besonders sind vor diesem Hintergrund ihre Begegnungen mit anderen Frauen. Was nicht einfach war. Meg Hewitt erinnert sich an ihrer ersten Kontakte und die Distanz, die ihr entgegenschlug. Die Sprache beherrscht sie nicht, Verständigung war kompliziert. Gerade deshalb fühlte sich die Künstlerin allerdings frei und ganz auf das Visuelle konzentriert.

Es brauchte Zeit, doch mit jedem ihrer Besuche bis 2017 kam mehr Vertrauen – und wer die Aufnahmen etwa von Yoko sieht, mit der sich die Künstlerin befreundet hat, der erahnt Hewitts ungeheure Sensibilität. Yoko, eine unverheiratete Mittdreißigerin, verkörpert eine Gesellschaft im Umbruch. Sie posiert abseits typischer Muster perfekten Selbstinzensierung. Traditionen fesseln Japan, wo berufstätige Frauen bis ins vergangene Jahrzehnt als „Büroblumen“ galten, die den Alltag der Männer verschönern sollten, noch immer, die Akzeptanz für unabhängige Lebensentwürfe fällt schwer.

„Gefährliche“ Bilder

Meg Hewitt gibt solchen Sehnsüchten ein Gesicht. Nicht ohne Grund nennt der japanische Fotograf Daido Moriyama, den Hewitt zu einem ihrer Vorbilder erklärt, deren Fotografien „gefährlich“. Sie decken Widersprüche auf und motivieren dazu, aus der Reihe zu tanzen.

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