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Auf der derselben Seite? Küchenchef Slowik (Ralph Fiennes) wundert sich, wie Margot (Anya Taylor-Joy) in die Abendgesellschaft geraten ist.

© Eric Zachanowich

„The Menu“ im Kino: Den Reichen bleibt der Bissen im Hals stecken

Leichen zum Dessert: Mark Mylods Krimi „The Menu“ ist Food-Porno, Sozialsatire und Agatha-Christie-Hommage zugleich. Die Zutaten stimmen schon mal.

Ein Setting wie ein Werbeclip. Eine tropische Insel vor der Atlantikküste der USA, das schicke und abgelegene Drei-SterneRestaurant „Hawthorn“ und die herausgeputzten Reichen und Schönen, die mit der Fähre übersetzen, um einen großen Gourmetabend zu genießen. Im Mittelpunkt steht das exklusive Restaurant des charismatischen Küchenchefs Slowik (zurückhaltend und zugleich explosionsgefährdet gespielt von Ralph Fiennes).

Die Ästhetik von Mark Mylods Gourmet-Thriller „The Menu“ wird zunächst dominiert von dessen genial kuratierter Fine-Dining-Cuisine: Slowiks fundamentalistische Philosophie liefert bereits dezente Hinweise für spätere Plot-Wendungen. Der Film spielt überwiegend im minimalistisch ausgestatteten Restaurant mit sechs Tischen und offener Küche; zunächst als satirisches Kammerspiel, das Mylod, der sowohl den ersten „Ali G“-Film als auch Episoden von „Succession“ gedreht hat, mit Liebe fürs (auch kulinarische) Detail inszeniert.

Die Küchenphilosophie wird mit militärischem Drill exerziert

Während die exquisiten Gäste auf das ebenso exquisite Menü warten, arbeitet in der Küche die vielköpfige Crew: weiß uniformiert und militärisch im Takt, in exakt festgelegten Arbeitsabläufen. In Großaufnahme hackt das Messer, verziert die Pinzette, wird der perfekte Teller inszeniert: Foodporn vom Feinsten. Im Zentrum des Geschehens bleibt der Küchenchef, dem kein Fehler der Crew und keine Reaktion der Gäste entgeht. Mit einem abrupten Klatschen sorgt er für Stille in Küche und an den Tischen, mit knappen Anweisungen erntet er vom gedrillten Chor der Köche jedes Mal ein „Ja, Chef!“. Ein Blick oder eine kleine Geste von Fiennes genügen schon, um Autorität herzustellen.

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Nicht nur das Küchenpersonal steht unter Slowiks Fuchtel. Auch die Gäste kämpfen um seine Aufmerksamkeit. Sie schmeicheln seiner Kochkunst, wie der Food-Junkie Tyler (Nicholas Hoult), dessen Begleiterin Margot (Anya Taylor-Joy, „Damengambit“) sich von Anfang an fehl am Platz fühlt und mit ihrem provozierenden Desinteresse Slowik herausfordert. Oder sie gefallen sich in ihrer Wichtigkeit wie die Finanz-Bros, die ihr Schwarzgeld verprassen, und der eitle Filmstar (John Leguizamo), der selbst eine Food-Serie plant. Die Tischgespräche entwickeln sich von Gang zu Gang zu Nebenschauplätzen, jeder Tisch offenbart seine eigene Hölle. Immer deutlicher wird dabei, dass der Küchenchef mit (fast) allen Anwesenden noch eine Rechnung offen hat, die Anspielungen sind in den Gängen versteckt. Der „Gruß aus der Küche“ wird zur Anklage.

Da ist (natürlich) die Restaurantkritikerin, gespielt von Janet McTeer. Am Nachbartisch sitzt ein Milliardär (Reed Birney), der seine Frau (Judith Light) betrügt und zu ignorant für die Kochkünste seines Gastgebers ist. Hochmut, Wollust, Gier, Zorn, Eitelkeit, Völlerei, das sind schon mal fünf der sieben biblischen Todsünden. Und keine scheint Peter Demings subjektiver Kamera zu entgehen. Das „Sündenregister“ der Gäste füllt sich, die Aversion des Publikums scheinen sich mehr und mehr zu bestätigen.

(In 19 Berliner Kinos, auch OV/OmU)

So wird von Gang zu Gang klarer, dass nicht nur das Menü vom Küchenchef sorgfältig kuratiert ist – sondern auch die Gästeliste. Nur Margot scheint, zur Irritation Slowiks, nicht in die Reihe der Unsympathen zu passen. Wie sich herausstellt, wird sie für ihre Anwesenheit bezahlt, Margot arbeitet als Escort Lady. Slowik nimmt sie einmal beiseite und fordert sie auf, sich zu entscheiden: „Gehören sie zu denen oder zu uns?“

So wird der soziale Subtext des Films immer klarer: Ihr an den Tischen, wir in der Küche. Er dient auch als Treibstoff für die sukzessive Eskalation, die – durchkomponiert wie ein Menü – sowohl psychologisch als auch kulinarisch-blutig auf eine durchaus deprimierende Erkenntnis über die menschliche Seele zusteuert. Die banalste von allen: Am Ende kommt immer die Rechnung.

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