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Robert Smith von The Cure.

© imago/Future Image

The Cure live in Berlin: Weißer Stern in schwarzer Nacht

Die britische Band The Cure gab in der ausverkauften Berliner Mercedes-Benz-Arena ein überzeugendes Konzert mit hoher Hit-Dichte.

Weißes Gesicht, schwarze Kleidung, traurige Stimme: Robert Smith steht einsam in einem kalten Scheinwerferkegel, und sofort ist das alte The-Cure-Gefühl da. Man sollte der Band verbieten, im Frühling oder im Sommer aufzutreten, sie passt einfach zu perfekt in die grau-schwarz-weiße Tristesse, die sich derzeit draußen zeigt.

Dass über die Videoscreens bald knallbunte Muster wabern, irritiert ein wenig. Doch die fünfköpfige Band aus London lässt sich davon nicht aus ihrem Düster- Konzept bringen. Smith kreischt die „Baby Screams“ des gleichnamigen Songs ins Mikrofon, und „Sleep When I’m Dead“ klingt richtig schön giftig. Es ist das einzige Lied ihrer Platte „4:13 Dream“ von 2008, das The Cure an diesem Abend in der Mehrzweckhalle am Berliner Ostbahnhof spielen. Seither haben sie kein Album mehr aufgenommen und beschränken sich auf Konzerte. Eine kluge Entscheidung, an der sich gern mehr alternde Gruppen ein Beispiel nehmen könnten.

The Cure haben dabei allerlei ausprobiert: In Australien spielten sie etwa ihre ersten drei Alben komplett durch, und in London bestritten sie einen ganzen Abend mit Raritäten. Hierzulande ließen sie sich – abgesehen von Festivalauftritten – seit acht Jahren gar nicht blicken. Dafür bleiben diesmal in rund 150 Minuten mit 33 Songs kaum Wünsche offen.

"Friday, I'm in Love" wird jubelnd begrüßt

Allerdings dauert es eine knappe Dreiviertelstunde, bis Bewegung in die bis dahin fast andächtige Menge kommt: Robert Smith hängt sich erstmals die schwarze Akustikgitarre mit dem großen weißen Stern um und treibt „In Between Days“ mit schnell geschlagen Akkorden voran. Zuvor war alles in mittlerem Tempo vorbeigezuckelt, jetzt scheint das Konzert noch einmal von Neuem zu starten. Und weil die Band mit „Friday, I’m In Love“ direkt einen ihrer bekanntesten und fröhlichsten Song hinterschickt, stehen nun auch auf den Rängen alle auf.

Robert Smith, seit knapp vier Jahrzehnten einzige personelle Konstante der Band, ist inzwischen 57, seine Haare lassen sich nicht mehr zu einem ganz so imposanten Vogelnest-Gebilde auftoupieren wie zu Hochzeiten der Gruppe in den Achtzigern und frühen Neunzigern. Auch sein Gesang hat an Kraft eingebüßt. Trotzdem wirkt Smith würdevoll und liebenswert, vor allem, wenn er ausnahmsweise mal ein paar Tanzbewegungen macht. Wie eine pummelige Tante beim Stadtteilfest. Für ein bisschen Rock-Show-Action sorgt Bassist Simon Gallup, der als Einziger nicht ganz in Schwarz gekleidet ist. Mit seiner Tolle, den Tattoos und der ärmellosen Weste sieht er so aus, als sei er von einer Rockabilly-Band abgeworben worden. Er tigert umher, wirft sich in breitbeinige Posen und genießt es sichtlich, dass sein Instrument in vielen Stücken eine Führungsrolle spielt.

In Würde gealtert, keine Freakshow. Die Setlist war sehr überraschend und wunderbar ausgewogen für meinen Geschmack. Wunderbar das die alten Songs teilweise eigenwillig vorgetragen wurden. Ein großes Konzert!

schreibt NutzerIn ElviZ

Drei Zugaben und ein neuer Song

Im nun folgenden Hit-Block demonstriert das Quintett seine meisterhafte Verschmelzung von Post Punk, Pop und Wave zu Songs, die die Zeit erstaunlich gut überstanden haben: „Boys Don’t Cry“ zum Mitsingen, „Pictures Of You“ und „Lovesong“ zum Mitweinen. Wunderbar auch nochmal zu hören, wie viel Zeit man sich in den Achtzigern für Intros nehmen konnte: In dem an New Order erinnernden „Just Like Heaven“ breiten The Cure knapp eine Minute lang die Grundidee des Stückes aus, bevor Smith mit seinem „Show me, show me, show me, how you do that trick“ ein neues Fenster aufreißt.

Die Band spielt drei Zugaben-Sets, die sie mit dem einzigen neuen Song des Abends eröffnen: „It Can Never Be The Same“ ist ein nicht sonderlich spannendes Rockstück mit Laut-Leise-Dynamik, das die Politik, kein neues Album aufzunehmen, bestätigt. Der Kontrast zu früheren Großtaten wird überdeutlich, etwa als „Lullaby“ erklingt, bei dem sich Gallups Bass wie eine dicke Spinne über das feine Melodie-Netz schiebt, das die Gitarre und der Synthesizer weben – ein Höhepunkt des Abend. Genau wie das Finale mit dem immer noch toll ohrwurmigen „Why Can’t I Be You“. Der Weg durch die neblige Nacht lässt sich anschließend leicht bewältigen.

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