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Die neue Georg-Büchner-Preisträgerin Terezia Mora.

© Uwe Anspach/dpa

Literaturauszeichnung: Terézia Mora erhält den Georg-Büchner-Preis

Die Verlorenheit von Großstadtnomaden in der Fremde: Der Georg-Büchner-Preis 2018 an Terézia Mora ist eine vernünftige, folgerichtige Entscheidung.

An dieser Entscheidung gibt es nicht zu meckern und auch nichts zu deuteln: Die in Berlin lebende und 1971 in Ungarn geborene Schriftstellerin Térezia Mora erhält den diesjährigen Georg-Büchner-Preis. Allein wie sie vor ein paar Jahren in ihrer Poetik-Vorlesung eingestand, wie stark autobiografisch ihre ersten Prosaarbeiten waren, Erzählungen über ein Dorfleben voller Gewalt, Alkohol und seelischer Verwahrlosung, um dann aber zu erörtern, wie sich das mit ihrer Wahrnehmung deckt, nämlich dass mir seit jeher die Welt zu nahe tritt“, zeigt ihre ausgeprägte literarische Kunstfertigkeit.

Die Jury begründete ihre Entscheidung so: "In ihren Romanen und Erzählungen widmet sich Terézia Mora Außenseitern und Heimatlosen, prekären Existenzen und Menschen auf der Suche und trifft damit schmerzlich den Nerv unserer Zeit. Schonungslos nimmt sie die Verlorenheit von Großstadtnomaden in den Blick und lotet die Abgründe innerer und äußerer Fremdheit aus. Dies geschieht suggestiv und kraftvoll, bildintensiv und spannungsgeladen - mit ironischen Akzenten, irisierenden Anspielungen und analytischer Schärfe. Für ihre eminente Gegenwärtigkeit und lebendige Sprachkunst, die Alltagsidiom und Poesie, Drastik und Zartheit vereint, verleiht die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung den Georg-Büchner-Preis 2018 an Terézia Mora."

2013 erhielt sie für ihren Roman "Das Ungeheuer" den Deutschen Buchpreis

Terézia Mora wurde am 5. Februar 1971 in Sopron, Ungarn, geboren und wuchs zweisprachig auf, ungarisch und deutsch Seit 1990 lebt sie in Berlin, wo sie Theaterwissenschaft und Hungarologie an der Humboldt-Universität studierte und das Drehbuch-Diplom der Deutschen Film- und Fernsehakademie erwarb. Terézia Mora arbeitet als Schriftstellerin und Übersetzerin aus dem Ungarischen. Schon mit ihrem Debüt, dem mehrfach ausgezeichneten Erzählungsband "Seltsame Materie" (1999), etablierte sie sich als eigenständige Stimme in der deutschsprachigen Literatur. Ihr Großstadtroman "Alle Tage" (2004), dessen vielsprachig-nomadischer Held Abel Nema Höllenfahrten erlebt, wurde von der Kritik als literarisches Ereignis gefeiert. Sprachkraft und drastische Imagination charakterisieren auch Moras Romane "Der einzige Mann auf dem Kontinent" (2009) und "Das Ungeheuer" (2013), die ersten zwei Bände einer Trilogie über das Leben des IT-Spezialisten Darius Kopp.

Mora zeichnet eine große psychologische Einfühlsamkeit aus

Das formal Besondere an "Das Ungeheuer" ist überdies, dass Mora diesen Roman grafisch zweigeteilt hat: Jede Seite wird von einer horizontalen Linie durchzogen. Oben ist „Das Ungeheuer“ ein Roadroman, der die Geschichte von Darius Kopp erzählt, multiperspektivisch, in einem steten, oft bruchlosen Wechsel zwischen der ersten, zweiten und dritten Person Singular. Kopp ist mit der Asche seiner Frau Flora, die sich das Leben genommen hat, in vielen Ländern Osteuropas unterwegs und landet am Ende in Griechenland. Und unter der Linie gibt es entweder nichts oder Notate von Flora, die Kopp nach ihrem Tod gefunden hat und nun nach und nach liest. Zwei Stimmen und zwei Textformen, die auf ungewöhnliche Weise miteinander korrespondieren – das ist nicht immer leicht zu lesen, aber von großer psychologischer Einfühlsamkeit und zeitdiagnostischer Gegenwärtigkeit. Zuletzt veröffentlichte Mora 2016 den Erzählungsband "Die Liebe unter Aliens".

Parallel zu ihrem erzählerischen Werk ist auch ein übersetzerisches entstanden, u.a. hat sie Werke von Péter Esterházy, István Örkény und Zsófia Bán übertragen.

Zu den vielen Auszeichnungen, die Terézia Mora erhalten hat, zählen: Ingeborg-Bachmann-Preis (1999), Preis der Leipziger Buchmese (2005), Adelbert-von-Chamisso-Preis (2010), Deutscher Buchpreis (2013), Bremer Literaturpreis (2017), Preis der Literaturhäuser (2017), Solothurner Literaturpreis (2017) und Roswitha-Preis (2018). Tsp

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