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Nichts soll hier aussehen, als wäre es immer schon so gewesen. Vom Westflügel des Hamburger Bahnhofs aus kann man jetzt in den Innenhof schauen.

© dpa/Jörg Carstensen

Tapetenwechsel im Hamburger Bahnhof: Was es heißt, Berlin zu fühlen

Trotz Regen, im Hamburger Bahnhof war es voll zum Auftakt-Fest. Es weht jetzt Berliner Luft durch die Räume. Nicht nur wegen des neuen Fensters.

Eine Kolumne von Birgit Rieger

Da ich am vergangenen Wochenende Dienst in der Redaktion hatte, konnte ich beim Tag der Offenen Tür im Hamburger Bahnhof nicht dabei sein. Allerdings habe ich meine Ohren überall und weiß daher: Es war voll, „buntes Volk“ amüsierte sich bei vielen schönen Aktionen. Von 32.000 Besucher:innen ist die Rede.

Meine Quelle lobte die Tangostunde für Anfänger. Für einige Besucherinnen war es essenziell, dass es draußen im Garten Pommes gab. Kunst und Kulinarik. Immer eine gute Kombination.

Ich selbst sah mir am Tag zuvor dort die neu eingerichtete Dauerausstellung „Nationalgalerie. Eine Sammlung für das 21. Jahrhundert“ an. Dort sieht man Arbeiten von mehreren Generationen Berliner Künstler:innen, deren Werke sind teils sehr vertraut, teils überraschend. Was ich zuvor nie gesehen hatte, mir aber sehr im Gedächtnis blieb, war ein Fotofilm von Tina Bara in der Mauerfall-Sektion gleich am Beginn der Ausstellung.

Berliner Gefühle

Es ist eine Art Slideshow mit Aufnahmen aus dem riesigen Fotoarchiv der in Kleinmachnow geborenen Fotografin. In dem Film mit dem Titel „Lange Weile“ geht es um den Alltag in der späten DDR, um Freunde, um Begegnungen in Prenzlauer- Berg-Wohnungen, in einer Straße, die ich gut kenne, weil ich jetzt – wo sich tausend Schichten darübergelegt haben – selber dort wohne.

Es geht um Sehnsüchte, Freiheit, Urlaub, Frust und die Liebe, eine Weile mit Martin, der hippiemäßig rüberkommt auf den Schwarz-Weiß-Bildern, mit langen Haaren, oft nackt. Was diese persönliche Bilderschau so besonders macht, ist das Voice-Over der Künstlerin. Sie erzählt, während die Bilder ablaufen, ihre Gedanken und Erinnerungen aus der Sicht des Jahres 2016.

Freunde, die Selbstmord begehen, Martin, mit dem es irgendwann nicht mehr klappt. Freunde, die fliehen. Man weiß etwas, das Martin und die anderen zu dem Zeitpunkt, als sie fotografiert wurden, noch nicht wussten, und rätselt, ob und wie es sich in ihren Gesichtern, in ihren Körpern, schon abzeichnet.

Es ist eine Ausstellung, die in Berlin gefehlt hat. Der Wandel der Stadt seit 1989, erzählt auf Basis der hier entstandenen Kunst. Kein „Hello World“, sondern ein „Hello Berlin“, in das die Welt durch die Biografien der Künstler hereinkommt. Ein Blick lohnt, die Türen sind ja auch offen, wenn nicht Tag der offenen Tür ist. 

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