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Kämpft für Resilienz: Katarzyna Wielga-Skolimowska.

© Falk Wenzel

Tanz auf heißen Themen: Was macht die Bundeskulturstiftung?

Seit einem Jahr leitet Katarzyna Wielga-Skolimowska die Kulturstiftung des Bundes - ein Spagat zwischen Politik und Kunst.

In Halle an der Saale hat die Stiftung ihren Sitz, und in Berlin, am Lützowplatz, die Hauptstadtdependance. Aber „mein Büro ist im Bord-Bistro der Deutschen Bahn. Ich reise viel“, sagt Katarzyna Wielga-Skolimowska. Seit einem guten Jahr ist sie die Künstlerische Direktorin. Ihre Vorgängerin Hortensia Völckers war zwei Jahrzehnte im Amt, von Anfang an, Völckers hat den Betrieb aufgebaut.

Die Kulturstiftung des Bundes wurde 2002 ins Leben gerufen und hat seither rund 4000 Projekte gefördert. Der Jahresetat liegt bei rund 40 Millionen Euro und kommt aus dem Haus der Staatsministerin für Kultur und Medien. Zu den Institutionen, die wiederkehrende Unterstützung erhalten, gehören die Berlin Biennale und das Berliner Theatertreffen, die Transmediale, das Ensemble Modern oder auch die Donaueschinger Musiktage, die sogenannten Leuchttürme. Da dreht es sich um Millionenbeträge, während einzelne Geschichten in der offenen Projektförderung eher im niedrigen sechsstelligen Bereich liegen.

4000
So viele Kulturprojekte hat die Stiftung seit ihrer Gründung 2002 gefördert.

Neu dazu kommt jetzt der zeitgenössische Tanz mit einer Triennale. So etwas fehlt in Deutschland. 2026 soll sie zum ersten Mal stattfinden, der Austragungsort wird noch gesucht. Hier sieht die Stiftung bis 2029 insgesamt knapp zwei Millionen Euro vor. Ein weiteres Tanzexperiment wird jenseits der Metropolen vielerorts Choreografen und Bürger zusammenbringen. Man sieht, wohin die Reise geht: in die Spitze, aber auch zum community dance, mit Bürgerbeteiligung. Der Tanz lag Hortensia Völckers sehr am Herzen, und ihre Nachfolgerin legt Wert auf Kontinuität.

Exzellenz und Innovation

Auch die Documenta in Kassel bekam bisher eine regelmäßige finanzielle Zuwendung. Nach dem Antisemitismus-Skandal 2022 ist nun abzuwarten, wie sich die Gremien dort sortieren. Erst dann wird die Bundeskulturstiftung über die weitere Förderung entscheiden.

Exzellenz, bundesweite Wirkung, Internationalität und Innovation - so lauten die Hauptkriterien, die der Förderung zugrunde liegen.. „Dabei haben sich die gesellschaftlichen Debatten stark verändert“, sagt Kataryzna Wielga-Skolimowska und damit auch die Orientierung: „Wir versuchen das zu filtern und in Zusammenarbeit mit den kulturellen Institutionen Programme zu entwickeln.“

Kunst und KI

Dicke Tropfen auf sehr heiße Steine, könnte man sagen: Was zum Beispiel sind die künstlerischen Perspektiven der KI? In diese Richtung will die Stiftung Projekte anregen. Wie lassen sich die Kultureinrichtungen klimaneutral einrichten, das ist ein anderer Schwerpunkt. Um bauliche Investitionen geht es dabei nicht, mehr um Organisatorisches, um neues Denken. Können sich die Räume der Kultur in Phasen von extremer Kälte oder Hitze jenseits ihrer gewöhnlichen Nutzung öffnen?

Vor Kurzem hat niemand nach solchen Dingen gefragt. Das zeigt, wie unglaublich schnell sich die Verhältnisse ändern - und dass die Kultur trotz ihrer vielfachen traditionellen Werte keine Ausnahmerolle spielt. Sie kann sogar zum Vorbild werden, das ist etwas ganz anderes als das hässliche Schlagwort Relevanz.

Mehr Kultur im ländlichen Raum

Die Kulturstiftung des Bundes will nachhaltig wirken, ist zugleich aber von der politischen Aktualität geprägt. Resilienz gegenüber demokratiefeindlichen Kräften: Das hat hohe Priorität bei Katarzyna Wielga-Skolimowska. Kultur im ländlichen Raum ist dabei ein Thema. Wie lassen sich beispielsweise Festivals besser verankern und für die Bevölkerung öffnen?

Wenn jetzt in Thüringen die Bach-Wochen beginnen, wird es dort, bei freiem Eintritt, zwanzig Konzerte in kleineren Orten und an Spielstätten geben, wo sonst kaum kulturelle Angebote zu finden sind. Nach einer Studie der EU engagieren sich Menschen, die Kulturveranstaltungen besuchen, auch aktiver für demokratische Politik. Vor diesem Hintergrund legt die Kulturstiftung des Bundes für die Kulturhauptstadt Chemnitz ein eigenes Programm auf, das über das eigentliche Kulturhauptstadtjahr 2025 hinausgeht und vier weitere Jahre Projekte junger Menschen in Chemnitz und im Umland unterstützt.

Kulturhauptstadt Chemnitz 2025. Die historische Fabrikhalle der Hartmann-Werke wird das Zentrum der Veranstaltungen.
Kulturhauptstadt Chemnitz 2025. Die historische Fabrikhalle der Hartmann-Werke wird das Zentrum der Veranstaltungen.

© dpa/Hendrik Schmidt

Es ist ein doppelter Spagat: Zum einen werden weithin sichtbare Ereignisse in Berlin gefördert, zum andern geht es um frische Initiativen in kleineren Kommunen und in der Fläche. Vieles ist auf dauerhaftes Wirken angelegt und will doch schnell reagieren. Es ist keine Übertreibung, dass in der breit angelegten Arbeit der Kulturstiftung des Bundes erkennbar wird, vor welchen Herausforderungen der Kulturbetrieb grundsätzlich steht.

Katarzyna Wielga-Skolimowska weiß aus eigener Erfahrung, wie leicht Systeme kippen. Sie hat für das Polnische Kulturinstitut gearbeitet, ging später für das Goethe Institut nach Saudi-Arabien, und sie kennt die Szene in Israel. Kürzlich erst war sie wieder dort, hat mit Künstlerinnen und Künstlern über die Möglichkeiten des Danach diskutiert. Wenn der Krieg zuende ist.

Eine besondere Biennale aus Kiew

In die Zukunft blicken: Das gilt nicht weniger für die Ukraine: An diesem Freitag eröffnet in Berlin bei der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst am Alexanderplatz die „Kyiv Perenniale“, eine Kunstschau, die mit Unterstützung der Bundeskulturstiftung den globalen Auswirkungen des russischen Angriffskriegs nachgeht. Die Schau verteilt sich auf mehrere Orte bis nach Hellersdorf. Im Mai geht es weiter in der Prater Galerie. Perenniale, eine Anspielung auf Biennale. Es soll das Bleibende, Beständige betonen, ein Zeichen der Hoffnung.

„Wir müssen noch einmal zurück zu den alten Themen“, sagt Wielga-Skolimowska, „und die Fragen zu Osteuropa neu stellen. Was bedeutet der Osten, was heißt osteuropäische Geschichte?“ Und dazu gehöre natürlich die DDR. So viel ist geschehen seit der Osterweiterung der EU im Jahr 2004. Damals herrschte Optimismus. Heute regiert die Angst.

Immer wieder erwähnt sie ihr Team. Kooperation, das sei das Wichtigste. Zuhören, im Gespräch bleiben, der Austausch mit den Menschen in den Institutionen. Und wenn es einen Begriff gibt, der über alldem steht, dann ist es Transformation. Ein großes Wort mit Sprechblasengefahr. Und mit vielen vor allem lokalen Bedeutungen.

Das klingt alles sehr politisch, unvermeidlich in diesen Zeiten. Katarzyna Wielga-Skolimowska betont, dass sich die Kulturstiftung mit Fragen der Ästhetik beschäftigt. Sie ist ein Instrument der Freiheit: „Kultur muss politische Fragen diskutieren können, ohne dass es sofort Konsequenzen hat. Das ist ihre Unabhängigkeit. Kultur muss einen Raum haben ohne Auflagen und Aufgaben für Künstlerinnen und Künstler.“

Aber natürlich tragen die kulturellen Institutionen Verantwortung, fügt sie hinzu. Das bleibt eine schwierige Übung. Denn es gibt zur Zeit wenig Hoffnung auf ein Ende der Kriege in Israel und Gaza und in der Ukraine, im europäischen Nahen Osten.

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