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Aus Minarett und Stufenpyramide. Das Museum für Islamische Kunst in Doha erbaute I. M. Pei.

© picture-alliance/ Anne Beatrice Clasmann/dpa

Museum für Islamische Kunst Doha: Syrien am Golf

Die Berliner Kuratorin Julia Gonnella leitet Katars Museum für Islamische Kunst in Doha

„Hier ändert sich gerade sehr viel“, erzählt Julia Gonnella (54) am Telefon aus Doha. Im April 2017 ist die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums für Islamische Kunst in Berlin als Direktorin des Museums für Islamische Kunst nach Katar berufen worden. „Natürlich war das ein großer Schritt. Aber es ist ein unglaubliches Museum mit einer tollen Sammlung und sehr engagierten Mitarbeitern“, erzählt die Islamwissenschaftlerin. Nächstes Jahr feiert der ins Wasser gebaute ikonische Bau von I. M. Pei in der Bucht von Doha sein zehnjähriges Jubiläum.

Der Bau war das erste große Museum in der Region, es verfügt über eine der besten Sammlungen islamischer Kunst weltweit. Dafür wurde sehr viel Geld ausgegeben – eine Investition, die sich gelohnt hat, denn das Museum ist heute die Hauptattraktion von Doha. Wenn Staatsgäste wie kürzlich Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder Außenminister Sigmar Gabriel Katar besuchen, dann kommen sie auch in dieses Museum. Das Hauptgesprächsthema ist zurzeit die Blockade durch die ehemaligen Verbündeten und Nachbarn, allen voran Saudi-Arabien. „Die Stimmung im Land ist sehr gut. Die Blockade schweißt die Menschen zusammen. Der Emir ist populär, eine charismatische Persönlichkeit. Viele junge Leute tragen sein Konterfei als Sticker. Familienbande wurden durch die Blockade zerschnitten, da die Saudis und andere Staaten ihre Bürger zurückgerufen haben.“

Die Museumsdirektorin beschreibt die aktuelle Situation so: „Sie erlassen praktisch Sanktionen gegen die eigene Bevölkerung. Ein Kollege kann seine Verwandten nicht mehr in Abu Dhabi besuchen. Jetzt treffen sie sich in Kuweit oder in Griechenland. Das macht die Leute natürlich fassungslos. Die Blockade auf der privaten Ebene ist nicht zu verstehen.“ So besinne sich das Land auf seine eigenen Kräfte – und dabei spielen Kunst, Kultur und Bildung eine herausragende Rolle, die vor allem auch von der Herrscherfamilie gestützt werden.

Die übergeordnete Organisation der Qatar Museums Foundation, der das Museum für Islamische Kunst (MIA) untersteht, verwaltet inzwischen eine ganze Reihe von Museen, etwa das Arabische Museum für Moderne Kunst, die „Firestation“, eine ehemalige Feuerwache als Talentschmiede für junge Künstler, und das Sportmuseum, das demnächst eröffnet. 2022 will Katar die Fußball-Weltmeisterschaft ausrichten, im Winter. „Die Vermittlung spielt in allen Bereichen eine große Rolle“, erzählt Gonnella. Dabei gehe es nicht nur um reine Museumspädagogik, sondern generell um die Einbeziehung der Bewohner Katars.

Julia Gonnella (54) ist seit Herbst 2017 Direktorin des Museums für Islamische Kunst in Doha, Katar. Zuvor war sie seit 2009 Kuratorin am Museum für Islamische Kunst in Berlin.

© Marc Pellletreau

Das Museum ist nicht nur bei Touristen, sondern auch bei der katarischen Bevölkerung beliebt. Das Bildungsangebot ist vielseitig und interessant, die Bibliothek wird von Studenten wie breitem Publikum genutzt. Ein Fünf-Sterne-Restaurant im Museum wird von Firmen gebucht. Ihr Museum hat über 90 Mitarbeiter, davon stammt über die Hälfte aus Katar. Das große Ziel ist es, die einheimischen Fachkräfte weiterzubilden, an das internationale Niveau im Museumsbetrieb heranzuführen und damit von Expats unabhängig zu machen. Fachkompetenz ist vorhanden.

So ist zurzeit die historische Waffensammlung eines katarischen Privatsammlers ausgestellt, der sich bestens auskennt und Vorträge zu der Ausstellung hält. „Es war die erste Ausstellung, die das Museum mit einem Privatsammler veranstaltet hat“, sagt Julia Gonnella.

Hauptattraktion war bis Ende Januar eine Teppichausstellung, die die besten Werke aus dem safawidischen Persien, der osmanischen Türkei und Moghul-Indien zeigte. Eine Verbindung nach Berlin und ihrer alten Wirkungsstätte gab es dann auch in dieser Ausstellung. Ein Teppich, der von Friedrich Sarre, dem Gründer des Museums für Islamische Kunst in Berlin, aus seiner Privatsammlung verkauft wurde, war in Doha zu sehen. Eine der letzten Ausstellungen Gonellas in Berlin war dem Berliner Direktor gewidmet.

Ende des Jahres soll das neue Nationalmuseum von Jean Nouvel eröffnet werden, das sich an Wüstenrosen orientiert – eine weitere Perle in der Kette der Kultur- und Bildungseinrichtungen, die Katar sich leistet. Die Museen sind Teil einer übergeordneten Vision, zu der insbesondere die Education City gehört, in der neben den katarischen Universitäten auch amerikanische und europäische Universitäten ihre Dependancen haben. Frauen konnten nicht in allzu großer Zahl zum Studium ins Ausland gehen. Also bietet man ihnen im Land die Chancen einer guten Ausbildung. „Innerhalb einer Generation hat sich Katar rasant gewandelt. Dieser Wandel war auch in der Ausstellung ,Qatar Contemporary Art’, die bis vor kurzem im Kraftwerk in Berlin zu sehen war, zu spüren.“

Für den Herbst plant Julia Gonnella eine große Syrien-Ausstellung, vom Alten Orient über Palmyra bis in die Neuzeit. Es ist die erste Ausstellung in der arabischen Welt, die den Verlust syrischen Kulturguts thematisiert. Die Staatlichen Museen zu Berlin und die Staatsbibliothek schicken ebenfalls Leihgaben nach Doha. Eigentlich bietet sich da die Übernahme nach Berlin an.

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