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Pöbel MC möchte nicht mit seinem bürgerlichen Namen und seiner wahren Identität in der Öffentlichkeit auftreten.

© Marshl Ceron Palomino

Studiobesuch bei Rapper Pöbel MC: „Deutschrap klingt als wäre Christian Lindner sein Ghostwriter”

Sexistische Disstracks? Beim Berliner Rapper Pöbel MC geht es eher um Seenotretter. Giftig ist er trotzdem. Jetzt erscheint die EP „Pöbel Sports Tape 2“. Ein Besuch in seinem Studio.

„Sauberkeit ist die Ästhetik der Unterdrückung”, rappte Pöbel MC einst und das scheint auch für sein Studio zu gelten. Zumindest für den Eingangsbereich der Wohnung in Treptow-Köpenick, die er sich mit einer Gruppe Produzenten teilt. Gleich hinter der Tür steht hier ein Herd, darauf massig benutztes Geschirr, teilweise als Aschenbecher zweckentfremdet.

In dem etwa zwölf Quadratmeter großen Raum, der Pöbel MC als Studio und kreativen Schaffensort dient, ist es deutlich aufgeräumter: ein Schreibtisch, ein Sessel, ein Mikro. Hier rappte er auch sein Top-Ten-Album “Bildungsbürgerprolls” ein.

Die Musik von Pöbel MC, der seine Identität in der Öffentlichkeit wahrt, unterscheidet sich jedoch deutlich von dem Rap, der sonst in dieser Sparte aufsteigt. Während er sich auf seinem Schreibtischstuhl hin- und herdreht, erklärt er seinen Stil: „Du kannst Battlerap machen, der auf die Fresse haut und trotzdem haltungsstark ist.” Es ist das Markenzeichen seiner Musik: Pöbel MC pöbelt und beweist dabei stets politische Haltung. Sexistische Beleidigungen, wie man sie sonst aus den Rap-Charts kennt, findet man in seinen Texten nicht. Dafür aber Solidarität mit Seenotretter:innen.

Geboren wurde Pöbel MC in Rostock, kurz vor der Wende. Seine Eltern sind Akademiker:innen. Als elitär würde er sein Aufwachsen dennoch nicht beschreiben. Es klingt eher nach einer Laissez-faire-Ost-Atmosphäre, wenn er sich an seine Jugend erinnert. Auf dem Schulhof wurde mit den Lehrer:innen geraucht, als Fremdsprache Russisch gelehrt.

Erst während seines Studiums begann er mit dem Rappen. Seit einiger Zeit hat er damit richtig Erfolg. Im vergangenen Jahr spielte Pöbel MC über 50 Konzerte. Wenn er nicht gerade im Studio oder auf der Bühne steht, sitzt er in der Bibliothek und arbeitet an seiner Dissertation. Denn neben der Musik promoviert er in Physik.

Pöbel MC steht politisch links. Theorie liest er aktuell kaum – keine Zeit neben der Musik und Physik. Auch einen Marxisten will er sich nicht nennen. Zu anmaßend, dafür hat er zu wenig Marx gelesen. Dem Materialismus als historische und philosophische Perspektive, der Erkenntnis, dass sich politische und soziale Machtverhältnisse aus materiellen Verhältnissen ableiten, würde er jedoch zustimmen, sinniert er, während er sich eine weitere Zigarette anzündet.

Das erklärt auch seine innerlinke Kritik: „Eure Vorstellung von links sein, heißt Finde den Trigger! Wenn das euer Diskurs ist, dann fick’ ich lieber Mütter!“ rappt er auf seinem neuen Track „Diskurssex“. Häufig würde man sich heute untereinander schwächen, Partikularinteressen gegeneinander stellen, anstatt antirassistische, feministische und antikapitalistische Kämpfe gemeinsam zu denken, kritisiert Pöbel.

„Wer prekarisiert ist, hat aber vielleicht gar keine Zeit, identitätspolitische Debatten zu führen, weil er auf dem Fahrrad sitzt und Leuten ihren Scheiß per Flink nach Hause bringt.” Der Ausdruck „Mütter ficken“ in der Punchline dient dabei als Referenz auf das inhaltslose Mainstream-Rap-Dasein.

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In echter Deutschrap-Manier teilt er auch gegen die Szene aus: „Du willst punkten im Biz und verfasst einen Diss, ich geh’ pumpen im Park und verfass’ meine Diss“, rappte er auf seinem Hit „Bildungsbürgerproll“. Pöbel scheut sich nicht davor, sich über den durchschnittlichen Rapper zu stellen. Leute, die Rapmusik ausschließlich aufs Geldverdienen reduzieren, gehen ihm gegen den Strich.

Auch die Huldigung der Selbstoptimierung und das Konkurrenzdenken kritisiert er. Damit würde neoliberale Perspektiven bedient: „Deutschrap klingt als wäre sein Ghostwriter Christian Lindner.” Trotzdem sei der kompetitive Charakter des Battleraps eine „interessante stilistische Eigenschaft“ und die will er nicht auslassen.

Dabei hört er selbst gar nicht so viel Rap. Metal findet er gut. Wenn man ihn fragt, was er aktuell gerne hört, schaltet er Necrophagist ein. Vor allem das Gitarrensolo in „Fermented Offal Discharge“ hat es ihm angetan. Er selbst will sich nicht als Aktivist mit künstlerischer Ausdrucksform missverstanden wissen. Vielmehr sei er ein Musiker, dessen Haltung sich in seiner Musik widerspiegelt. „Vordergründig geht es um einen intrinsischen Antrieb, Musik zu machen.“ erklärt er. „Aber natürlich macht es einen Unterschied, ob du in deiner Schulzeit nur Bushido oder nur Pöbel MC hörst.“

Am Freitag erscheint „Pöbel Sports Tape 2“. Es ist eine Fortsetzung des ersten „Pöbel Sports Tape“, das 2019 herauskam und die erste EP des Rappers war, die beim Berliner Audiolith Label erschien. Konzeptionell ist es nicht gemeint: „Meine Musik ist hybrid: Battlerap-typische Provokation und das Abhandeln von gesellschaftspolitischen Problemen aus linker Perspektive”, seien darauf zu finden. Auf Charterfolg setzt er nicht. Wohl aber auf miese Beats und Wortgewalt.

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