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Warten vor dem Fridericianum während der documenta 13, 2016.

© Uwe Zucchi/dpa

Studie zu Gesundheit und Kultur: Theatergänger leben länger

Eine britische Studie will herausgefunden haben, dass der Genuss von Kultur die Lebenserwartung steigert. Also, alle ab in die Museen? Eine Glosse.

Latein lernen fördert das logische Denken. So hieß es früher mal in der Schule. Es stimmt nur leider nicht ganz: Sonst wäre der gute Lateinschüler nicht derart mies in Mathematik gewesen.

Alte Sprüche sind in erster Linie: alt. Ars longa, vita brevis. Auch das wird seit ewigen Zeiten behauptet. Kurz das Leben, von Dauer die Kunst. Eine neue britische Studie korrigiert die antike Weisheit nun dahin, dass der Umgang mit Kunst heilsam sei (bmj.com/content/367/bmj.l6377).

Wer regelmäßig Museen und Bühnen, Konzerte und Galerien besucht, beißt später ins Gras als derjenige, der die Adressen des Guten, Wahren und nicht immer nur Schönen meidet. Die Untersuchung stammt vom Department of Behavioural Science and Health des University College London. Über einen Zeitraum von vierzehn Jahre wurden tausende Menschen über 50 befragt. Mit dem Ergebnis: Kunst und Kultur sorgen für eine höhere Lebenserwartung.

Die Erklärungsmöglichkeiten des Phänomens wirken komplex. Hervorgehoben wird der soziale Aspekt, das Ausgehen, der Kontakt mit anderen Menschen – weniger Einsamkeit, weniger Depression, größere Beweglichkeit, geistig und körperlich, mehr Empathie.

Wichtig auch der Entspannungseffekt: Wer sich häufig etwas anschaut, scheint ein Bewusstsein für Freizeit zu haben – oder die Möglichkeit, sich jenseits der Arbeit zu entfalten. Kreativität und Engagement gelten allgemein als günstige Faktoren in der Entwicklung des Menschen.

Kulturferne sterben jünger

Zeiteinteilung, Arbeitsbelastung, Stress: Daran messen sich Lebensqualität und Gesundheit. Interesse an Kultur ist dabei ein nicht unbedeutender Indikator. Das Geschlecht spielt nach der Londoner Studie, die sich auf ähnliche Statistiken in Skandinavien stützt, keine Rolle.

Während der Erhebung starben 2001 der beobachteten 6710 Menschen. Kulturferne starben demnach – bei ansonsten vergleichbaren Gesundheitsdaten – jünger. Genauer: 47,5 Prozent der Menschen, die nichts mit Kultur am Hut hatten, traten während der vierzehn Jahre ab.

Bei den eifrigen Kulturgängern verschieden nur 18,6 Prozent. Ohne Zweifel muss man auch den sozialen Status und das Einkommen einrechnen. Das britische Gesundheitssystem ist bescheiden. Krankheit muss man sich da leisten können.

Kultur ist nicht billig

Und Kultur kostet auch Geld. Ein Theaterabend in London für Zwei plus Dinner, das überlegt man sich.

Der Eintritt in die staatlichen Museen dort ist allerdings frei, wenn es keine Sonderausstellungen sind. Und so betont die Studie aus Brexit-Land indirekt die Vorzüge des deutschen Systems: Kultur wird überwiegend staatlich finanziert und damit das Preisniveau der Tickets relativ niedrig gehalten.

Wenn man also nach dem Theater und vielleicht schon davor nicht so viel trinkt und in der Pause nicht raucht, wenn man dann irgendwann in den Schlaf findet und nicht zu früh wieder raus muss, wenn man sich nicht totärgert über schlechte Vorstellungen, dann lebt man gut und hat mehr davon. Oder wie der britische Ökonom John Maynard Keynes fand: „In the long run we are all dead.“

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