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Der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf am 01.03.2008 in Badenweiler (Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald).

© DPA

Neues Buch von Wolfgang Herrndorf: "Stimmen": Stimmen aus dem Jenseits

Tote Schriftsteller leben dank ihrer Bücher weiter, der Markt macht´s möglich. Rekordhalter in Sachen posthumer Veröffentlichungen: Wolfgang Herrndorf

Philip Roth ist tot, und selbst posthum bekommt er den Literaturnobelpreis wohl nicht mehr, wie das so mancher Nachrufer jetzt forderte. Auch John Updike zum Beispiel ist diese Ehre ja nie zuteil geworden. Aber Philip Roth lebt natürlich weiter, in seinen Romanen. Und in all dem, was womöglich noch von ihm veröffentlicht wird. Wie er das wohl testamentarisch geregelt hat, nachdem er 2012 verkündete, dass er nie wieder eine Zeile schreiben, in jedem Fall nie wieder veröffentlichen werde? Ob er sich daran gehalten hat?

Es gehört zu den ehernen Gesetzen der Literatur und insbesondere des Literaturmarkts, dass Schriftsteller und Schriftstellerinnen, berühmte zumal, nicht einfach sterben können, und dann war es das mit Buchveröffentlichungen. Irgendwo im Nachlass findet sich immer etwas. Um nur zwei aktuellere Beispiele zu nennen: die letzten Erzählungen des im vergangenen Jahr verstorbenen US-Schriftstellers Denis Johnson. Und der fertige, zuvor nie veröffentlichte Debütroman des großen deutschen Erzählers Siegfried Lenz, der 2014 starb.

Herrndorf schrieb für "Die höflichen Paparazzi"

Rekordhalter in posthumen Veröffentlichungen, gerade in Anbetracht eines doch schmalen Werks, dürfte aber der 2013 verstorbene Berliner Schriftsteller Wolfgang Herrndorf sein. So schnell, wie er mit „Tschick“ berühmt wurde, so schnell wurden nach seinem Tod erst sein Blog „Arbeit und Struktur“ und dann das Romanfragment „Bilder deiner großen Liebe“ veröffentlicht. Nun ist, nach der Werkausgabe, ein weiteres Herrndorf-Buch für den Herbst angekündigt. „Stimmen“ heißt es und enthält Einträge, die Herrndorf unter dem Pseudonym „Stimmen“ für das Internetforum „Wir höflichen Paparazzi“ geschrieben hat.

Muss das sein?, fragt man sich zunächst. Muss die Erinnerung an einen großen Autor stets mit noch entlegensten, irgendwo geschriebenen und dann in einem Buch versammelten Sätzen bewahrt werden? Reicht nicht die Wiederlektüre von „Tschick“ oder „Sand“? 

Dann aber stöbert man im Netz nach „Paparazzi“-Einträgen und findet zum Beispiel einen von 2004 über Rainald Goetz, den Herrndorf im Supermarkt in der Chausseestraße in Berlin-Mitte beobachtet hat: „Körpersprache sehr vital, sehr wach, wie ein Sechsjähriger. Früher nie gelesen, durch dieses ,Titanic‘-Missverständnis, diese Droste-Roth-Henscheid-Haudrauf-Kritik, gedacht, das ist ein schlechter Mann. Dann doch gelesen: guter Mann.“ Will man so was auch in einem Buch lesen? Doch, ja, in jedem Fall. Sind gute Stimmen.

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