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Sonnenuntergang am Kolonnadenhof auf der Museumsinsel. Oder geht über dem Hausherrn, der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, vielleicht doch gerade die Sonne auf?

© Christoph Soeder / dpa

Stiftung Preußischer Kulturbesitz: Befreit die Museen!

Wie einer unbeweglichen Institution um ihrer Schätze willen der Weg in die Zukunft gelingen kann. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Bernhard Schulz

Das Gutachten des Wissenschaftsrates zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz, vor knapp zwei Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt, war ein Paukenschlag. Ob er lange nachhallen wird, ist allerdings die Frage. Denn der Ruf nach mehr Geld und mehr Personal, den Stiftungspräsident Hermann Parzinger sogleich erhob und der im Gutachten auch nachvollziehbar begründet wird, dürfte in diesen Zeiten einer alle Dimensionen sprengenden Staatsverschuldung eher geringe Aussicht auf Erfolg haben.

Das ist, zumindest auf kurze Sicht, vielleicht nicht einmal zu bedauern. Denn es lenkt den Blick zuallererst auf die institutionellen Mängel der Preußen-Stiftung, besonders aber ihres größten Teilbereichs, der Staatlichen Museen mit ihren 15 einzelnen Häusern.

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Die Museen stehen da wie begossene Pudel. Das Gutachten attestiert ihnen, „den Anschluss an internationale Entwicklungen verloren“ zu haben oder gerade zu verlieren. Das trifft nicht nur die Staatlichen Museen, sondern Berlin als Ganzes, das seinem eigenen Anspruch nach eine internationale Metropole sein will.

Stillstand und Verzagtheit

Was das Gutachten – im Übrigen beispielhaft in Sorgfalt und Ernsthaftigkeit – zu Tage fördert, ist Stillstand und Verzagtheit, ist die Fesselung durch als „dysfunktional“ bezeichnete Strukturen. Eben darum wäre es verfehlt, die glasklar gezeichneten Organisationsmängel der Preußen-Stiftung lediglich mit mehr Geld zukleistern zu wollen, aber zugleich an „tief gestaffelten Hierarchien und unklaren Entscheidungsstrukturen“ festzuhalten.

Befreit die Museen! Das ist eine der Schlussfolgerungen, die der Wissenschaftsrat aus der vorgefundenen Malaise zieht. Es ist ein Aufruf an die Politik, an den schwergängigen Stiftungsrat, an das ganze verschachtelte Konstrukt aus Bundes- und Länderzuständigkeiten.

Letztere sollten, so das Gutachten, an die „Finanzierungsströme“ angepasst werden. Was das in Konsequenz bedeutet, liegt angesichts der 86 Prozent, die der Bund bereits jetzt zur Gesamtfinanzierung beiträgt, auf der Hand. Im Stiftungsrat sind alle 16 Bundesländer mit Sitz und Stimme vertreten.

Was frühere Stiftungs-Präsidenten als Erfüllung der föderalen Struktur der Bundesrepublik und der Kulturhoheit der Bundesländer feierten, ist im Alltag nichts als eine bürokratische Fessel. Jede einzelne Stelle im 2000 Mitarbeiter starken Stiftungsverbund muss der Rat, müssen die Länder absegnen – ohne dass sie die finanziellen Folgen zu tragen hätten.

Einrichtung für ganz Deutschland

Nein, künftig sollten sich die Bundesländer auf ihre eigenen, spezifischen Einrichtungen konzentrieren dürfen, hingegen die gesamtstaatliche, ganz Deutschland als Kulturnation repräsentierende Einrichtung der Preußen-Stiftung der Verantwortung des Bundes anheimgeben.

Vor langer Zeit einmal war ein „föderales Programm“ in der Diskussion, das die Schätze der Museen in den Bundesländern hätte bekannt(er) machen sollen. Konkret geworden ist es nie. Es war als Geste gedacht. Jetzt indessen, nach dem Gutachten des Wissenschaftsrates, geht es ums Ganze: um die Zukunftsfähigkeit der Institution und vor allem der gescholtenen Museen.

Ihre organisatorische Befreiung vorausgesetzt, müssen die Museen in einer ganz anderen Weise aktiv werden und Strategien entwickeln, sowohl für die Gesamtheit der international weit unter Wert gehandelten Sammlungen als auch für jedes ihrer einzelnen Häuser. Nutzerorientierung, Vermittlung, Forschung, Digitalisierung – die Stichworte purzeln nur so, um anzuzeigen, auf wie vielen Feldern geackert werden muss, aber auch kann, vorausgesetzt, man lässt den Mitarbeitern endlich den nötigen Freiraum.

Das größte Potenzial liegt in den Mitarbeitern

Denn ausdrücklich rühmt das Gutachten deren „hohe intrinsische Motivation und Begeisterung für die von ihnen betreuten Bestände“. Die Erfahrung kann jeder machen, der einmal eine Führung im Museum begleitet, eine Veranstaltung besucht, mit einer oder einem einzelnen Mitarbeiter gesprochen und eine Welt aufgeschlossen bekommen hat, die in den Sammlungen und ihren Objekten bereitliegt. Dieses Potenzial der Mitarbeiterschaft – in kalter Wirtschaftssprache heißt es human capital – wartet nur darauf, seine Möglichkeiten ganz zu entfalten.

Dass dazu nicht unbedingt die Verbeamtung auf Lebenszeit gehört, die vielen Mitarbeitern noch immer als Sehnsuchtsziel ihres irdischen Daseins gilt, sei ausdrücklich hinzugefügt. Befreiung, Finanzhoheit, Kreativität, Eigenverantwortung – und umgekehrt das, was auf neudeutsch accountability heißt, die Pflicht also, Rechenschaft abzulegen, damit ungefähr kann der Weg skizziert werden, der jetzt beschritten werden muss.

Die Öffentlichkeit, aufgeschreckt durch den Wissenschaftsrat, darf nicht locker lassen, nachzufragen und diese Rechenschaft zu fordern. Denn wir alle sind es, für die die Stiftung Preußischer Kulturbesitz treuhänderisch die Schätze hütet, die in ihren Museen, Bibliotheken und Archiven versammelt sind, und die nur darauf warten, zur Gänze gehoben zu werden.

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