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Mensch gegen Maschine. Die KI holt im Bereich Sprache auf.

© imago

Sprachberufe in Gefahr: Künstliche Intelligenz verdrängt den Übersetzer - und nicht nur ihn

Im Bereich Sprache wird die Konkurrenz schärfer. Beim Übersetzertag im Literarischen Colloquium gewinnt der Mensch gegen die Maschine - aber nur knapp.

Die gute Nachricht zuerst: Noch schlägt Mensch Maschine. Jedenfalls nach Punkten in dem spielerischen Wettstreit zwischen Übersetzern und maschinellen Translatoren, mit dem der Übersetzertag im Literarischen Colloquium Berlin unter der Leitung von Hannes Langendörfer und Nina Thielicke ausklang.

„Sind die Übersetzer nun arm dran?“, forderte der Deutsche Übersetzerfonds mit einem Dieter E. Zimmer entlehnten Motto die Professionellen heraus, „wenn der Geist immer mehr in die Maschine auswandert und diese wie Alan Turing, der die Künstliche Intelligenz nicht nur auf den Weg gebracht hat, sondern auch Langstreckenläufer war, den Marathon am Ende für sich entscheidet?“

Die Folgen der digitalen Konkurrenz werfen drohende Schatten auf die Existenz der hauptberuflichen Übersetzer. Wenn Google Translate oder DeepL Translator so weit entwickelt sind, dass die vielleicht noch vorhandenen Qualitätsmängel bei weitem durch Schnelligkeit und Kosten wettgemacht werden, könnte auch dieser hochqualifizierte Beruf sukzessive verschwinden.

So wie einst der des Bleisetzers. Der Übersetzer würde Platz machen für Posteditoren, ein graues Heer von Textnachbereitern, wie der Innovationsberater Mads Pankow in Aussicht stellte.

Die Unruhe unter den Betroffenen war jedenfalls spürbar, nachdem der Computerlinguist Samuel Läubli von der Uni Zürich die mögliche Zukunft aufgerissen hatte.

Selbst davon überzeugt, dass sie nicht nur Sinnkontexte und sprachliche Zweideutigkeiten adäquater erfassen und ästhetische Perlen besser zum Leuchten bringen können, sondern auch als unverzichtbare Kulturvermittler fungieren, schien das Fachpublikum doch überrascht und aufgeschreckt von der Leistungsfähigkeit und Kreativität maschineller Translation.

Man solle sich davor hüten, so Läubli, die Künstliche Intelligenz in diesem Bereich zu unterschätzen, weil die Qualität einer Übersetzung ohnehin nicht objektiv wahrgenommen werde.

Der Produktivitätsgewinn indessen schon, begegnete er der Frage der Lektorin Cordelia Borchardt, die sich nach der Wirtschaftlichkeit maschineller Übersetzungsprogramme im künftigen Verlagsalltag erkundigte.

Es bedürfe nur einer Person, die das System an die speziellen Erfordernisse anpasse und seine Lernfähigkeit unterstütze.

Wie besorgniserregend die neuen Sprachsysteme sind, zeigt der im Februar 2019 vorgestellte GPT-2, (Generative Pretained Transformer), der in der Lage ist, anhand von Überschriften oder Anfangssätzen ganze Artikel weiterzuschreiben.

Das mit 40 Gigabyte zweisprachigen Internetartikeln gefütterte Modell – das entspricht dem 35000-fachen Textkorpus von Moby Dick – kann darüber hinaus Texte zusammenfassen, einfache Fragen zum Inhalt beantworten und lernt nebenbei auch zu übersetzen.

Die Roboter-Artikel sind sprachlich völlig kohärent, produzieren inhaltlich allerdings Fake News, ein Grund, weshalb der britische „Guardian“ davon absah, Trainingsartikel digital zugänglich zu machen.

Sprengkraft entwickeln diese Systeme also nicht nur für den Übersetzerberuf, sondern auch hinsichtlich der medialen Zukunft und der Sprache überhaupt. Denn Art, Qualität und Umfang der eingespeisten Textkorpora bestimmen auch den Output.

Viele drängende Fragen

Doch wer definiert, womit die Computer trainiert werden? Welche Folgen hat dies für Inhalte und Sprachentwicklung?

Gerade letzteres treibt die Übersetzer, abgesehen von ihrer existentiellen Betroffenheit, um. Denn Computer arbeiten mit Suchalgorithmen und Worthäufungen, so Mads Pankow.

Sie kreieren zwar neue Zusammenhänge, Sinninseln, aber sie wissen nichts von der Bedeutung dessen, was sie auswerfen: Der Signifikat ist eine Blackbox.

Wie etwa würde ein solches Programm mit Paul Maars „Sams“-Büchern umgehen, fragte der Übersetzer Mahmoud Hassanein, wenn sie ins Arabische übersetzt werden, eine Sprache, in der die Wochentage, mit denen Maar spielt, keinerlei Bedeutung haben?

Ein wunderbares Beispiel kreativen Überschusses maschineller Unsinnerstellung präsentierte die Autorin und Übersetzerin Kathrin Passig mit ihrem Projekt @Wanderfelsen. Vor einigen Jahren fütterte sie Google Translate und DeepL Translator mit J. A. Bakers Buch „The Peregrine“.

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Sie beobachtete fasziniert, was die Maschine mit dem „Wanderfalken“ und den übrigen Vögeln veranstaltete: Da war vom „Schrei der Rotzbeine“ die Rede, „Barschwanzgeister“ trieben ihr Unwesen oder ein „wandernder Blätterteig von Spatzen“ wurde auf die Reise geschickt.

Aber auch Lyrisches spuckte die Maschine aus wie: „Die Schönheit ist Dunst aus der Grube des Todes.“

Übertroffen wurden solche Funde nur von der maschinell generierten Story mit talktotransformer, einem auf dem genannten GPT-2 basierenden Programm: Die aus Anlass des ersten Satzes ausgesponnene Story, die von einem Buch von Thomas Mann handelte, endete mit dem Satz: Easy is dead. Literatur, entschieden die Übersetzer gegen sich selbst.

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