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Halb zog sie ihn, halb sang er mit. Terence Stamp und Vanessa Redgrave – als altes Ehepaar bei der Chorprobe. Foto: Ascot Elite

© dpa

Seniorenfilm: Spätes Glück im Chor

Singen verbindet. Und kann sogar alte Griesgramtypen läutern. Terence Stamp beweist es in "Song for Marion“ – in einer verblüffend sanften Altersrolle.

In den fünfzig Jahren seiner Karriere hat der gebürtige Brite Terence Stamp Gangster gespielt, immer wieder, und auch ansonsten Fieslinge aller Art: „The Collector“ (1965), inszeniert vom großartigen William Wyler, wirkt heute wie eine Vorwegnahme der Natascha-KampuschGeschichte und legte den Grundstein für Stamps Type-Casting als wortkarger, unberechenbarer, gewalttätiger Soziopath. Den gab er im italienischen, französischen, britischen und US-amerikanischen Film bis in die achtziger Jahre hinein; und dass er nun, in „Song for Marion“, nur als alter Miesepeter besetzt ist, wirkt fast ungehörig.

Aber welche Überraschung! Der Mann mit dem geschmeidigen Gang und dem eisblauen Blick zeigt plötzlich eine sanfte Seite; hinter seiner Zurückhaltung verbirgt er nicht Gefährlichkeit, sondern Unsicherheit, und dann singt er auch noch – ein zärtliches Abschiedslied für seine verstorbene Frau.

Selbige wird in diesem Film mit gewohnter Heiterkeit und Eleganz – selbst noch im fortgeschrittenen Krankheitsstadium – von Vanessa Redgrave verkörpert, und wären nicht diese beiden 75-Jährigen mit ihrem wunderbaren Zusammenspiel, so könnte man über „Song for Marion“ nicht viel Gutes sagen. Zu deutlich nämlich zielt der vergleichsweise junge Regisseur und Autor vom Jahrgang 1973 auf das wachsende Marktsegment der Kinozuschauer der Generation Fünfzig plus und liefert ihnen jene Art gefälliger Konfektion, die es offenbar nach Meinung der Produzenten braucht.

Und das geht so: sie fröhlich, er grantig; sie singt, er nicht; sie stirbt, er überlebt und entdeckt plötzlich, was für ein einsamer Mann er ist. Der Multikulti-Rentnerchor, dem seine Frau angehörte, und dessen junge, überengagierte Leiterin Elizabeth (Gemma Arterton) bieten ihm Halt in seiner Trauer. Und, siehe da, schon bald hängt ein Wettsingen von seiner Teilnahme ab – und zu allem Überfluss findet sich auch noch eine Annäherung an seinen seit langem entfremdeten Sohn (Christopher Eccleston).

Nur: Was will diese Art von Filmen – auch der im Januar angelaufene „Quartett“ gehört dazu oder „The Best Exotic Marigold Hotel“ (2011) – eigentlich suggerieren? Vielleicht, dass das Altwerden eine prima Sache ist, zumal es in der Generation der Babyboomer, die jetzt das Rentenalter erreicht, so viele gibt, denen es ähnlich geht. Man muss nur gesund und wohlhabend sein, und schon kann man um die Welt reisen oder sich wahlweise in einer Luxusresidenz zur Ruhe setzen und seinen erlesenen Hobbys frönen. Umsorgt wird man dabei im Übrigen ständig von unheimlich liebevollen, hübschen, jungen Menschen, denen man die Familie ersetzt. Toll.

In acht Berliner Kinos; Originalfassung im Cinestar SonyCenter

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