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Hugh Kinsella Cuningham wurde für seine Fotos von der Frauen-Friedensbewegung in der Demokratischen Republik Kongo ausgezeichnet.

© Hugh Kinsella Cuningham

Sony World Photography Awards: Die Magie des richtigen Augenblicks

Im Willy-Brandt-Haus sind die Preisträger der diesjährigen Sony World Photography Awards zu sehen. Auch ein Amateur aus Hannover ist unter den Prämierten.

Sie stehen da wie Relikte einer längst vergangenen Zeit: Wassertürme, Betonsilos, alte Treppen, Bauten mit schwarzen Fensterhöhlen, kurzum, „lost places“. Fan Li hat die Reste des erst 1996 gebauten und dann bald wieder aufgegebenen Zementwerks von Guilin City in Südchina in Schwarz-Weiß fotografiert und damit den Hauptpreis in der Kategorie Architektur & Design des Sony World Photography Awards 2023 gewonnen. „Obwohl das Zementwerk verlassen war, sah ich darin ein Kunstwerk“ erklärt der chinesische Fotograf in einem Begleitvideo. „Ich sah darin die Vergangenheit. Ich sah die Schatten meines Lebens.“

Sony World Photography Award 2023
Sony World Photography Award 2023

© Fan Li

Zum ersten Mal werden die prämierten Fotografen aus dem Profi-Wettbewerb nun mit ihrer ganzen Serie ausgestellt und nicht mit Einzelbildern. Zu sehen sind die diesjährigen Preisträger in den weiteren Hauptkategorien Kreativ, Dokumentarische Projekte, Umwelt, Landschaft, Portfolio, Porträt, Sport, Stillleben, Natur & wilde Tiere im Willy-Brandt-Haus. Aus 415.000 Fotos wählte die Jury am Ende über 100 aus. Durch die Präsentation der Serien wandelt sich die Ausstellung zu einem Mosaik aus kleinen Soloausstellungen, was der Präsentation durchaus guttut.

Neuer Nachhaltigkeitspreis für Alessandro Cinque

Fast wie ein roter Faden zieht sich das Thema Wasser durch die verschiedenen Kategorien. Die völlig offene Kategorie Portfolio mit den unzusammenhängenden Fotos des Briten James Deavin zeigt ein fast menschenleeres Saudi-Arabien jenseits der luxuriösen Glitzerwelt, in der es Mensch und Natur nicht leicht haben, sich zu behaupten. Er zeigt etwa ein einsames Paar auf einer Bank, umrahmt von zwei jungen Bäumen, denen man ein Überleben in dem harten Klima unbedingt wünscht.

Den erstmals vergebenen Nachhaltigkeitspreis hat Alessandro Cinque mit seinen Fotos von den Nebelnetzen von Lima gewonnen, die seit 20 Jahren auf den kargen Hügeln den Nebel einfangen und zu Wasser umwandeln. Sie haben etwas von Christos „Running Fences“, aber hier dienen sie ganz praktisch dem Überleben. Ebenfalls aus Peru kommen die Fotos von Angela Ponce. Sie hat mit ihren Bildern über das Abschmelzen der Gletscher in den Anden und die Gefährdung der Lebensgrundlage der Quechua den Latin America Professional Award gewonnen.

Alessandro Cinque gewann mit seinen Fotos von Nebelnetzen den neuen Nachhaltigkeitspreis.
Alessandro Cinque gewann mit seinen Fotos von Nebelnetzen den neuen Nachhaltigkeitspreis.

© Allessandro Cinque

Auf den Spuren des ermordeten Kollegen

Der Portugiese Edgar Martins wurde mit seiner Serie „Our War“ in der Kategorie Porträt ausgezeichnet und gleichzeitig zum Fotografen des Jahres gewählt. Er hat seine Serie dem Kollegen und Freund Anton Hammerl gewidmet, der 2011 von regierungstreuen Milizen in Libyen entführt und ermordet wurde. Der Fall wurde nie aufgeklärt. Martins reiste dorthin, wo Hammerl gearbeitet hatte, versuchte, mit Leuten, denen er begegnet war, zusammenzukommen, und stellte Situationen nach, die Hammerl fotografiert hatte. Entstanden ist eine bizarre Serie von Kämpfern mit Maschinenpistolen, barfuß im Fotostudio vor einer Urwaldtapete oder im Busch. Ein Mann simuliert den Moment, in dem eine Kugel seinen Kopf trifft, eine Frau im Tarnanzug trägt eine provisorische Burkha aus einer Marks & Spencer-Plastiktüte.

Der Portugiese Edgar Martins wurde mit seiner Serie „Our War“ in der Kategorie Porträt ausgezeichnet und gleichzeitig zum Fotografen des Jahres gewählt.
Der Portugiese Edgar Martins wurde mit seiner Serie „Our War“ in der Kategorie Porträt ausgezeichnet und gleichzeitig zum Fotografen des Jahres gewählt.

© Edgar Martins

Hugh Kinsella Cunningham hat der Frauen-Friedensbewegung in der Demokratischen Republik Kongo ein Gesicht gegeben, ihre Arbeit zwischen den Fronten begleitet, die Aktivistinnen in selbstbewusster Pose fotografiert und damit den Preis in der Kategorie Dokumentarische Projekte gewonnen.

Andreas Mikonauschke aus Hannover gewinnt für seine Straßenfotografie

Unter den Amateurfotografen, die im Erdgeschoss ihre Arbeiten zeigen, ragt Andreas Mikonauschke aus Hannover heraus. Er wurde im offenen Wettbewerb in der Kategorie Straßenfotografie ausgezeichnet und gewann gleichzeitig den National Award für sein Foto mit dem Titel „Erschöpft“. Das Bild zeigt die Träger eines Gestells, mit dem Heiligenfiguren während der Semana Santa in Spanien getragen werden. Normalerweise sieht man nur die Füße der Männer, doch in dem Moment der außergewöhnlichen Aufnahme stellen sie das schwere Gestell ab, um Luft zu holen und schlagen dazu den Vorhang hoch. Auf dem nächsten Foto hätten sie schon gelacht, erzählt Mikonauschke dem Tagesspiegel am Telefon.

Andreas Mikonauschke: „Erschöpft“, 2023.
Andreas Mikonauschke: „Erschöpft“, 2023.

© Andreas Mikonauschke

Bei den Sony World Photography Awards gibt es wieder viel zu entdecken, was Menschen auf dieser Erde bewegt und den Betrachter überrascht. 

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