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Uecker stammt von der Ostsee und lebt in Düsseldorf.

© dpa / Fabian Strauch

Günther Uecker wird 90: So wurden Asche und Nägel sein Ausdrucksmittel

Er ist viel mehr als nur der Künstler mit den Nägeln: Zum 90. Geburtstag des Bildhauers Günther Uecker.

Spikes, das sind Turnschuhe mit Sohlen voll Spitzen, die sich in die Erde graben und Abdrücke hinterlassen. Die Arbeit „Spikes“ von Günther Uecker, ein mit Nägeln versehener Lederschuh, erinnert mehr an einen Igel – und wenn man das Original und Ueckers Interpretation miteinander vergleicht, malt letzteres seine Spuren in die Luft, erzählt von Verletzungen wie Verletzbarkeit.

Werke wie dieses haben Uecker, der heute 90 Jahre alt wird, zum allseits beliebten „Nagelkünstler“ gemacht. Was ihm nicht gerecht wird – was er aber selber durch seinen zeitweise inflationären Nagelverbrauch auch befeuert hat.

Wie der Stahlnagel in Ueckers Kunst kam, hat er erst spät erklärt. Es hängt mit seiner Kindheit auf der Halbinsel Wustrow zusammen, wo er bäuerlich, ohne Bildung und Bücher aufgewachsen ist, wie er betont, und an deren Strand der Zweite Weltkrieg Leichen von versenkten Schiffen spülte.

Kunst gegen das Kriegstrauma

Dort nagelte er eine Hütte komplett mit Brettern zu, um seine Mutter und seine beiden Schwestern vor marodierenden russischen Soldaten zu verbergen. Ein traumatisches Erlebnis, für das Uecker eine Sprache in seiner künstlerischen Arbeit fand.

Er studierte kurz in Berlin-Weißensee, wechselte dann nach Düsseldorf an die Kunstakademie und experimentierte hier Ende der fünfziger Jahre erstmals mit Nägeln. Parallel traf er auf Otto Piene und Heinz Mack, gründete mit ihnen 1961 die Künstlergruppe Zero und beschäftigte sich wie sie mit ephemeren Materialien wie Licht oder Bewegung.

Ein Resultat aus dieser Zeit ist die Arbeit „Elektrischer Garten I“ von 1966, in der ein Riesennagel als Blitzableiter einen leuchtenden Bogen aus Strom erzeugt.

Ab 1971 begann Uecker zu reisen. Seine spirituellen Erfahrungen vor allem mit dem Zen-Buddhismus erweiterten das Vokabular um Spiralen, skripturale Zeichen und Sandmühlen, die einen wichtigen Platz in seinem Werk einnehmen, was nicht zuletzt im Andachtsraum sichtbar wird, den er 1999 für das Reichstagsgebäude in Berlin gestaltete.

Asche als Trauerzeichen

Asche wird ebenfalls ein Arbeitsmittel. 1986 entstehen nach dem Reaktorunfall in Tschernobyl körpergroße Aschebilder als Zeichen der Trauer und Ohnmacht gegenüber einer von Menschen gemachten Katastrophe. Da lehrt der Künstler schon seit zwölf Jahren als Professor an der Kunstakademie in Düsseldorf, wo er bis heute lebt.

Am Rhein hat man Uecker 2015 mit einer großen Schau im K20 geehrt; der ersten musealen dort. Wer sich zu seinem 90. Geburtstag einen Überblick über das reiche, längst nicht nur vernagelte Werk verschaffen will, wird aktuell in Schwerin fündig: Die Ausstellung „Uecker 90“ glänzt mit eigenen Beständen.

Knapp eine Million für ein Relief

2013 erwarb das Staatliche Museum 13 Objekte aus der Berliner Sammlung von Friedel Drautzburg. Den ersten Weltrekord für ein Relief hatte es drei Jahre zuvor mit 940 000 Euro gegeben, doch Schwerin kaufte offenbar noch günstig und mit Blick auf einen Künstler, der aus Mecklenburg-Vorpommern stammt.

Inzwischen besitzt das Bundesland eine ansehnliche, um Schenkungen und Dauerleihgaben ergänzte Kollektion von Günther Ueckers Werken, die auf dem Kunstmarkt inzwischen bis zu drei Millionen Euro kosten können.

In Schwerin wie auch in Rostock, wo die Kunsthalle ab dem 22. März grafische Arbeiten von Uecker zeigt, hat man früh reagiert und sich auf die Wurzeln eines Künstlers besonnen, den die Kindheit an der Ostsee bis heute prägt.

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