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Berndt Wildes "Frau mit Hund" aus Sandstein, 2018.

© Kunsthandel Karger

Skulpturen von Berndt Wilde: Bleicher Stein, unvollkommene Menschen

Berndt Wildes Skulpturen reflektieren Lebensbrüche und schicksalhaftes Sein. Zu sehen sind sie im Kunsthandel Karger.

Der Sage nach half Ariadne ihrem Geliebten Theseus, das Ungeheuer Minotauros zu besiegen und sich aus dessenLabyrinth anhand ihres trickreichen Garns zu befreien. Das Ehegelöbnis als Dank hielt ihr Held aber nicht ein, und die so sitzengelassene kretische Königstochter wurde zum beliebten Motiv in Kunst und Musik.

Lebensbrüche und schicksalhaftes Sein reflektieren auch die Skulpturen Berndt Wildes in einer Ausstellung im Kunsthandel Karger, durch die sich der Torso, das scheinbar Unvollendete, wie ein roter Faden zieht. Etwa bei Wildes bleicher Sandstein-Ariadne von 1992: keine sinnlich schöne weibliche Gestalt in klassischen Formen, sondern eine mit klobigem, kantig geschnittenen Leib. Ihr Kopf scheint zur Hälfte weggebrochen, sodass nur ein Auge den Betrachter ins Visier nimmt (9000 Euro).

Wilde baut auf stereometrischen Grundformen und reduziert sie wieder, lässt an der Oberfläche des Steins Spuren der Bearbeitung wie Spaltflächen und Schraffuren zurück. Kubistische Bildhauer mögen Pate gestanden haben. Doch bleibt bei Wilde der Mensch das Maß aller Dinge und die Gegenständlichkeit weitgehend gewahrt, wenn auch seine Figuren sich nur als Zeichen seelisch-körperlicher Empfindungen verstehen. Sie vermitteln Zustände, keine Geschichten mit vorhersehbarem Ausgang, geschweige denn einem Happy End.

Es gibt auch eine heitere Seite

„Kain und Abel“ aus Muschelkalk von 1996 sind wie Ringer in einem kubischen Block zusammengeschweißt. Der Mensch ist in seinem irdischen Dasein unvollkommen, bruchstück- und triebhaft. Die beiden nicht einmal lebensgroßen Steinfiguren von Adam und Eva (2001) bilden keine Einheit, sondern ragen wie isolierte Stelen mit Monsterfüßen auf (je 8000 Euro). „Eva mit dem Apfel“ von 2015 hat bereits ihren Kopf verloren, sie ist Fragment (7000 Euro). Dem Betrachter räumte Wilde eigene Interpretationen ein, die anders aussehen mögen als seine eigenen während des Schaffensprozesses. Nach dem Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden folgten mühevolle Jahre als freischaffender Künstler in Ost-Berlin, an deren Akademie der Künste er Meisterschüler von Werner Stötzer wurde. Ab 1991 lehrte er an der Hochschule der Künste Berlin und der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Hier hielt er fast zwanzig Jahre eine Professur.

Den Eingang zur Ausstellung flankiert ein Frühwerk, das „Martyrium“ von 1975 in porösem, gelblichen Travertin. Um an die Opfer des chilenischen Militärputsches gegen Präsident Allende zu erinnern, stellte Wilde den geschundenen männlichen Leib ohne Kopf und Gliedmaßen auf den Sockel. Doch gibt es bei ihm auch die heitere humorvolle Seite: Seine „Hockende Dicke“ hüllt sich in ihre steinernen Wülste behaglich ein, bei der kleinen „Sonnenden“ aus Muschelkalk von 2003 wird der Sockel zum Ruhelager der lächelnden Liegenden. Von edler Schönheit zeugt schließlich der Marmortorso einer Ruhenden von 2018, hingegossen auf schmaler Plinthe.

Kunsthandel Karger, Stilwerk, Kantstr. 17, bis 16. 3.,Di–Fr 14–19, Sa 10–19 Uhr

Angela Leitzke

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