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Der Leiter der Südpol-Expedition Captain Robert Falcon Scott.

© imago/UIG

Sinn und Neugier: Zur Tragödie des Titan-Tauchboots

Wer an entlegenen Orten das Universum erkundet, ist universellen Fragen auf der Spur. Katastrophentourismus kann das nicht für sich behaupten. 

Von Caroline Fetscher

Als der Junge Flugmodelle bastelte, war eines davon so groß, dass er es nicht durch die Haustür in Freie bekam. Ottos Mutter hatte Verständnis, und ließ die Tür von Handwerkern erweitern. Wo sie konnten förderten die Eltern die Forscherfreude ihres Kindes.

Auch darum wurde aus Otto Lilienthal ein Pionier der Luftfahrt. 1896 stürzte der berühmte Mann mit einem seiner Flug-Gleiter ab, mit dem er von einem Hügel im Havelland gesprungen war. Es war sein Ende.

Abenteuer der Neugier bergen Risiken, immer. Wieviel Risiko ist legitim vertretbar? Zu welchem Sinn und Zweck? Diskret blieben die Fragen außen vor, während auf dem Atlantik die Suche nach fünf Männern lief, die am Donnerstag für tot erklärt wurden.

Die Verschollenen hatten das teure Abenteuer gebucht, vom privaten Miniatur-Tauchboot „Titan“ aus, das Wrack der „Titanic“ am Meeresboden zu sichten.

Erkenntnisinteresse und Wissensdrang haben Expeditionen zu Nordpol und Südpol befeuert, an die Nilquellen, in Wüsten und Weltall, zum Meeresboden und zum Mond.

Der Polarforscher Scott starb 1912 auf dem Eis der Antarktis. Sein Kollege Amundsen ist 1928 in der Arktis verschollen, als er die Crew des havarierten Luftschiffs „Italia“ retten wollte. Gerettet wurde diese Crew durch eine gigantische Suche mit Schiffen und Flugzeugen aus Skandinavien, Italien und der UdSSR.  

Ähnliche Dimensionen dürfte die jüngste Suchaktion im Atlantik erreicht haben. Berechtigt ist nicht nur der Hinweis auf die Diskrepanz zum Aufwand bei der Rettung schiffbrüchiger Migranten auf dem Mittelmeer.

Entscheidend dürfte auch die Frage nach Ziel und Zweck solcher Trips sein, die am ehesten dem Katastrophentourismus oder „Dark Tourism“ zugerechnet werden können. Beobachtet wurde das Phänomen unter anderem nach der Havarie der Costa Concordia oder bei Touren in die Geisterstadt Tschernobyl:  Sinnlose, empathieferne  Neugier.

Titanic-Touristen suchen offenbar den Thrill der Nähe zu einem Wrack, zu einem Massengrab von Passagieren. Im aktuellen Fall wurde die Fahrt zum Ort einer tragischen Katastrophe selber zu einer Katastrophe.  

Viele Fragezeichen schweben da über dem Atlantik. Sie gelten nicht zuletzt der Hybris derer, die im exzessiven Überfluss leben, und den Gesellschaften, die sie hervorbringt.

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