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Die Dirigentin Simone Young am 25.5.2023 zusammen mit den Berliner Philharmonikern.

© Stephan Rabold/Berliner Philharmoniker

Simone Young und die Berliner Philharmoniker: Liebe liegt in der Luft

Ein Ganzkörpererlebnis: Die australische Dirigenten Simone Young interpretiert mit den Berliner Philharmonikern Olivier Messiaens grandiose „Turangalila“-Sinfonie.

Was für eine faszinierende Persönlichkeit: Olivier Messiaen startete seine Karriere als angry young man, sein erstes Orchesterstück „Le tombeau resplendissant“ war eine Totenrede auf die eigene Jugend – komponiert mit 23 Jahren. Später wurde der glühend gläubige Katholik zum Vogelstimmensammler, vertiefte sich in die Musiktraditionen Asiens, schrieb eine Oper über Franz von Assisi und Orgelmeditationen über die Geburt des Herrn.

In der Mitte seines Oeuvres ragt als Monolith die „Turangalila“-Sinfonie heraus, uraufgeführt 1949 in Boston von Leonard Bernstein, eine Art Ayers Rock der Musik des 20. Jahrhunderts. Die australische Dirigentin Simone Young hat sich das Werk jetzt für ihren Auftritt mit den Berliner Philharmonikern gewünscht. Eine Feier der Liebe, der menschlichen wie der mystisch-religiösen, wollte Messiaen komponieren, „übermenschlich, überfließend, blendend, unbegrenzt“ - und genau das ist am Donnerstag tatsächlich in der Philharmonie zu erleben.

Dieses Werk muss man hören, sehen, fühlen

Die „Turangalila“-Sinfonie muss man beim Hören unbedingt auch sehen, um ihrer ganzen anmaßenden, überwältigenden Grandiosität gewahr zu werden. Und man muss sie spüren, sich den tsunamiartigen Schallwellen aussetzen, die unablässig in den Saal fluten.

Eine Hundertschaft von Profis schuftet hier im Dienst der Lebensfreude, bis auf den letzten Quadratzentimeter ist die Bühne vollgestellt. Simone Young wird von zwei Frauen gerahmt, der neuen philharmonischen Konzertmeisterin, Vineta Sareika-Völkner, und Cynthia Millar, die die Ondes Martenot bedient, ein elektronisches Pionierinstrument, dessen synthetische Töne brutal durchdringend sein können aber auch psychedelisch-zuckrig.

Neben dem Flügel, den Cédric Tiberghien hochkonzentriert traktiert, stehen noch zwei Celesta-Kästen, also Glöckchenklaviere, deren zarte Töne ebenso wichtig sind für die Gesamtwirkung wie die unzähligen Perkussionisten ganz hinten im Orchester.

Die Macht der Liebe, auch die zerstörerische, hier wird sie Ereignis - und die Philharmoniker liefern unter Youngs souveräner Leitung eine gewittrige Glanzleistung, reizen die Akustikextreme virtuos aus bis in die Regionen des Ekstatischen. Mal geht es hart an die Grenze zum Krach-Kitsch, dann ist alles wieder aufs Feinste ausgehorcht, bevor sich erneut süßester Streichersound verströmt, in klangfarblich überknalltem Technicolor. Ein Ganzkörpererlebnis.

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