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Kultur: Schwarzlärm

Throbbing Gristle in der Berliner Volksbühne

Passend zur Welle der Achtzigerjahre-Comebacks haben sich nun auch die Gründerväter der Industrial Music zusammengerauft: Throbbing Gristle sind auferstanden! Chris Carter, Peter „Sleazy“ Christopherson, Cosey Fanni Tutti und natürlich Genesis P-Orridge, der sich aus künstlerischen Gründen schrittweise zur Frau umbauen lässt. Die Alt-Fans sind in die Volksbühne gepilgert (beide Konzerte an Silvester und Neujahr waren rasch ausverkauft, auch zwei Tage vorher musste die Weltpremiere des Konzertfilms „TG Live at the Astoria, London“ im Arsenal um Mitternacht wiederholt werden). Das Publikum trägt überwiegend Schwarz, jede Menge Tattoos und ist gepierct – nur Stämme überleben!

Da! Der Vorhang hebt sich! Das Quartett erscheint als „Industrial Abba“. Im Hintergrund zwei männliche Kabel-Gewirr-Regenten, die den Sound bestimmen und an der Front die beiden Girls: rot und blond. Los geht’s! Tibetanische Killer-Trompeten durchsieben die Luft, abgerissene Stimmfetzen aus der Schreckenskammer von Peter „Sleazy“ Christopherson, nervöses Synthetikklopfen aus dem Laptop von Chris Carter, ergänzt durch das rostige Schaben von Cosey Fanni Tuttis Slidegitarre – alles mit modernster Bühnentechnik im Surround-Sound. Im Mittelpunkt steht freilich Genesis P-Orridge, der mit beschwörender Stimme seine Texte vorträgt, wenn er nicht den Bass bearbeitet oder mir einer Violine quietscht. Dazu tänzelt er über die Bühne wie eine Balletttänzerin mit Übergewicht, mit Blondperücke und üppigem Vorbau im silbernen Disco-Glimmer-Minirock über einer pinkfarbenen Strumpfhose.

Es ist fast 30 Jahre her, dass TG in der Londoner Performance-Kunst-Szene auftauchten. Nun knüpfen sie nach 23-jähriger Auszeit auf dem neuesten musikalischen Stand an. Mit Stücken aus dem neuen Album „Part 2“, das im Februar bei Mute erscheint, sowie einigen alten Nummern. Ein Reunion-Konzert, das nahtlos an alte Qualitäten anknüpft und nichts von einer Nostalgie-Show hat. Bis Genesis P-Orridge bei der Zugabe „Hamburger Lady“ noch einmal seine goldüberkronten Zähne bleckt. Da steht er: der begnadete Spinner, gefährlich verrückt und deine beste Freundin.

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