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SCHREIB Waren: Hipster trifft Hartzer

„Worin besteht dein Judentum, wenn es sich dabei um keine Religion und keine traditionelle Gemeinschaft handelt?“ Diese Frage stellte der israelische Autor Amoz Oz seinem ungarischen Kollegen György Konrád.

„Worin besteht dein Judentum, wenn es sich dabei um keine Religion und keine traditionelle Gemeinschaft handelt?“ Diese Frage stellte der israelische Autor Amoz Oz seinem ungarischen Kollegen György Konrád. Beantworten will dieser sie nun in seiner Essaysammlung „Über Juden“. Konrád verbindet dabei biografische und politische Zugänge: Er spürt familiären Erinnerungen und jüdischen Traditionen ebenso nach wie der Sehnsucht nach einer Gemeinschaft. So laufen die Reflexionen auch auf eine Standort- und Identitätsbestimmung hinaus: Was heißt es, heute als Jude in Mitteleuropa zu leben? Die Buchpremiere findet am Mittwoch in der Akademie der Künste statt, deren Präsident Konrád von 1997 bis 2003 war. Das Gespräch mit dem Autor führt György Dalos (20 Uhr, Pariser Platz).

Was es hingegen heißt, in Neukölln zu leben, erfährt man von Heinz Buschkowsky, dem streitbaren Bürgermeister des Bezirks. Ob man seine weitreichende Behauptung „Neukölln ist überall“ allerdings als Bedrohung oder Verheißung empfindet, hängt sehr davon ab, in welcher Gegend man sich bewegt: In Nordneukölln etwa haben Hipster, Kreative und Touristen ein ganz eigenes Soziotop erschaffen, das das alte Neukölln mit seinen Bier-und-Bulette-Eckkneipen, Polster-und-Pokal-Geschäften und seiner schönen Tristesse immer mehr verdrängt. Doch das ist es nicht, was Buschkowsky in seinem Buch auf die publizistische Palme bringt. Vielmehr prangert er mangelnde Integrationsbereitschaft bei Migrationshintergründlern und Hartz-IV-Familien und fehlende Bildungsmöglichkeiten für Kinder an. Buschkowsky Thesen haben ebenso heftige Zustimmung gefunden wie Widerspruch provoziert – dies dürfte ähnlich sein, wenn er am Donnerstag in der Buchhandlung SoSch aus seiner Streitschrift liest (20.30 Uhr, Gropius-Passagen, Johannisthaler Chaussee 301).

Jenseits all dieser Querelen zeigt der Open Mike Flagge und siedelt im zwanzigsten Jahr seines Bestehens in den Heimathafen Neukölln um (Karl-Marx-Str. 141). Bei diesem „Internationalen Wettbewerb junger deutschsprachiger Prosa und Lyrik“ kann man – Samstag und Sonntag bei freiem Eintritt – die Literaturstars von morgen entdecken. Entsprechend hochkarätig ist die Jury mit Silke Scheuermann, Marcel Beyer und Thomas von Steinaecker besetzt. Wie das „Leben und Schreiben nach dem Open Mike“ aussieht, erfährt man am Freitag um 20 Uhr, es lesen und diskutieren Vea Kaiser, Matthias Senkel und Levin Westermann. Am Sonnabend um 14 Uhr und am Sonntag um 12 Uhr treten dann die Finalisten an. 15 Minuten haben die 22 Nominierten Zeit, ihre Texte zu präsentieren, dann schrillt erbarmungslos der Wecker. Achtung, am besten reisen Sie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln an! Denn Buschkowsky zufolge können in Neukölln „die offiziellen Einkünfte niemals die einzigen Erwerbsquellen vieler Familien sein. Dies müsste zu einer Vielzahl an freien Parkplätzen in Neukölln führen, die allerdings so noch nicht geortet wurden.“

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