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Schinkels Bauakademie, 1868 gemalt von Eduard Gärntner.

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Schinkel entwickeln: Wie modern soll der Wiederaufbau der Berliner Bauakademie ausfallen?

Seit mehr als 30 Jahren wird um die Rückkehr von Schinkels Bauakademie gerungen. 62 Millionen Euro warten auf Abruf. Ein Symposium will den Diskurs bündeln.

Seit mittlerweile 32 Jahren wird um den Wiederaufbau der Bauakademie gegenüber dem Schloss gerungen, seit 1991 die ersten Befürworter sich meldeten, Elke Blauert im Osten und Fritz Neumeyer im Westen Berlins.

So jedenfalls referierte es Hans-Dieter Nägelke, Leiter des Architekturmuseums der hiesigen TU, der nun auch schon dreißig Jahre lang mit dem Fall befasst ist, zum Auftakt des „Symposiums zur Wiedererrichtung der Berliner Bauakademie“ am Freitagabend.

Ja, es ist ein „Fall“: mit Plädoyers für und gegen, mit Anträgen und taktischen Winkelzügen, und nicht zuletzt mit der Aussicht auf den großen, 62 Millionen Euro schweren Geldtopf, den der Bundestag vor nun auch schon sechs Jahren bereitgestellt hat.

Wofür, darüber gehen die Meinungen mittlerweile auseinander, denn inzwischen gibt es die Bundesstiftung Bauakademie, die ein Gebäude dieses Namens beziehen und bespielen soll, und der so ziemlich alles an Aufgaben aufgeladen wird, was die Zukunft des Bauens betrifft.

Da ist für die Rekonstruktion des 1836 eröffneten Bauwerks von Karl Friedrich Schinkel, das, schwer kriegsbeschädigt, in der jungen DDR bereits in Wiederherstellung begriffen war, ehe es dieselbe DDR 1961 Stein für Stein abtragen ließ, um Platz zu schaffen für ihr neues Außenministerium, das 1995 der nunmehr gesamtdeutschen Abrissbirne anheimfiel.

Den bisherigen Diskurs bündeln

So viel zur Vorgeschichte. Das Symposium in den Räumen der historisch wiederhergestellten „Kommandantur“ Unter den Linden wollte den bisherigen Diskurs bündeln, indem es (mehr) Befürworter und (weniger) Gegner der Schinkel-Wiedererstehung mit einer ganzen Reihe von Experten für Nachhaltigkeit und Zukunftsfähigkeit im Bausektor vereinte, vor deren Tabellen und Schlussfolgerungen der Schinkelsche Ziegelbau gedanklich etwas schrumpfte.

Der Bausektor trägt hierzulande mit 40 Prozent zum CO2-Ausstoß bei, verursacht 52 Prozent aller Abfälle und frisst sage und schreibe 90 Prozent der mineralischen, nicht nachwachsenden Rohstoffe. Elisabeth Endres von der TU Braunschweig hatte die ausgefeiltesten Schaubilder parat, machte aber darauf aufmerksam, dass es sehr darauf ankommt, welche Parameter man beim Bauen anlegt.

Wir müssen erhalten und reduzieren

Eike Roswag-Klinge als Direktor des Natural Building Lab der TU weitete den Blick auf die „planetaren Grenzen“, und da kamen einen die unausweichlichen Konsequenzen wie die, „den Ressourcenverbrauch um den Faktor zehn zu vermindern“, schon hart an. „Wir müssen erhalten, und wir müssen reduzieren“, so der Merksatz, der von mehreren Rednern des viereinhalbstündigen Abends unterstrichen wurde.

Kein Abriss mehr, kein Neubau („Wir haben in Deutschland einen Überhang an Gebäudefläche!“), und selbst zersägtes Bauholz, das heute noch zu 95 Prozent „der thermischen Verwertung zugeführt“, sprich: verbrannt wird, kann für weitere Jahrzehnte als Baustoff seinen Dienst tun.

Ob Schinkels massives Ziegelmauerwerk nun ökologisch hinnehmbar ist – immerhin entfiele bei Verwendung von gebrauchten Ziegelsteinen die neuerliche CO2-Belastung –, und ob, wie der Ingenieur Christian Müller erläuterte, eine geothermisch gespeiste Wandheizung die Lösung des Klimatisierungsproblems darstellt, mögen Experten klären. Machbar sei der Wiederaufbau in jedem Fall, und zwar exakt so, wie Schinkel ihn entworfen hat.

Jenseits technischer Fragen kann die kulturelle und ästhetische Seite des Gebäudes wieder Geltung erlangen, die Wolfgang Sonne von der TU Dortmund zum Abschluss nochmals in den Blick rückte. Dazu hatte Fritz Neumeyer, langjähriger Lehrstuhlinhaber an der hiesigen TU, bereits alles Nötige gesagt. Schinkel befürwortete das Neue, aber nicht als Bruch, sondern als Weiterführung des Historischen und in dessen vollster Kenntnis.

Darum ließ er an der Bauakademie die berühmten Terrakotta-Reliefs anbringen, die den Eleven dieser ursprünglichen Lehranstalt etwa die Baukunst der Griechen als beispielhaft vor Augen stellten. Auch Peter Stephan von der FH Potsdam differenzierte sorgsam zwischen „revolutionärer“ und „evolutionärer“ Moderne .

Julia Dahlhaus hatte da keinen leichten Stand. Indem sie die „Kohärenz von Form und Inhalt“ anmahnte und auf das neben hochgezogene Schloss verwies, traf sie einen wunden Punkt der Rekonstruktionsbefürworter: „Warum diese Angst vor der Weiterentwicklung Schinkels?" Als Vorsitzende des Bundes Deutscher Architektinnen und Architekten (BDA) Berlin musste sie zwangsläufig für einen „ergebnisoffenen Wettbewerb“ plädieren, wie er denn noch im Laufe des späten Frühjahrs ausgelobt werden soll.

Und warum versammelte man sich an diesem Freitagabend vor brechend vollem Auditorium? Weil, wie Wolfgang Sonne spitz anmerkte, „weil es dieses Gebäude gab“. Es war der Musterbau der anbrechenden Moderne.

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