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Der Schriftsteller Christoph Hein

© Peter Endig/dpa

Christoph Hein und der "Spiegel": Scherz und Schurke

Muss man sich Sorgen machen? Der "Spiegel" weist dem Schriftsteller Christoph Hein nach, wie schlecht es um sein Erinnerungsvermögen bestellt ist.

Tja, so langsam möchte man es doch wissen, welcher Journalist zu Christoph Hein am Anfang eines Gesprächs gesagt haben soll, weil nichts in den Stasi-Akten des Schriftstellers zu finden war: „Herr Hein, wir haben leider nichts gegen Sie in der Hand.“ Hein hat in seinem Erinnerungsbuch „Gegenlauschangriff“ geschrieben, ein „Spiegel“-Reporter habe diesen Satz zu ihm gesagt, als er 1993 von dem Hamburger Magazin interviewt worden war: „Für mich hat er sich damit selbst als Schurke entlarvt.“

Nun hat der „Spiegel“ vergangene Woche Christoph Hein nachgewiesen, dass all das nicht stimmen kann, er hat den Schriftsteller gewissermaßen überführt. Hein wurde vom „Spiegel“ nicht im Jahr 1993 interviewt, sondern 1989, 1998 und noch einmal 2004 zusammen mit seinem Sohn Jakob. Und Hein hat dann in einem Gespräch mit der „Zeit“ zugegeben, dass er sich falsch erinnert habe. Besagtes Interview sei 1998 geführt worden, von dem damaligen „Spiegel“-Literaturredakteur Volker Hage, der das mit dem „nichts gegen Sie in der Hand“ gesagt haben soll. Nur insistierte auch die „Zeit“, dass Hage sich eines solchen Satzes nicht erinnern könne. Was Hein nicht verwunderlich fand: „Es war ja lediglich eine scherzhafte Eröffnung des Gesprächs, die auch nicht abgedruckt worden ist.“ Trotzdem habe es ihn „unangenehm“ berührt, deshalb der Schurkenvorwurf.

Dumm nur, dass der „Spiegel“ diese „Petitesse“, als welche Hein sie auch irgendwie empfindet, Schurke hin oder her, weiterverfolgt. In seiner neuesten Ausgabe legt er dar, dass ein Mitschnitt des ’98er-Interviews inklusive Vorgespräch existiere und der von Hein erinnerte Satz aus Hages Mund nicht gefallen sei. Muss man sich Sorgen machen? Um den „Spiegel“, weil er sich so hartnäckig dagegen wehrt, als „Schurke“ bezeichnet zu werden? Zumindest hat das Blatt recht. Mehr noch fragt sich, wie es um das Erinnerungsvermögen des Berliner Schriftstellers bestellt ist. Vielleicht hat er den Satz geträumt. Vielleicht hat ihn irgendwer irgendwann zu ihm gesagt. Vielleicht hat er ihn erfunden, um sich „im Nachhinein als Opfer einer Stasi-Hysterie darzustellen“, wie der „Spiegel“ mutmaßt. Ja, und vielleicht rückt Christoph Hein nächste Woche in einem weiteren Interview mit einem Namen heraus, vielleicht meldet sich der „Schurke“ gar selbst. Eins aber ist sicher: Die deutsche Nachwende-Geschichte wird dadurch nicht neu geschrieben werden müssen.

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