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Der edle Araber. Omar Sharif (links) mit Peter O'Tolle in "Lawrence von Arabien".

© dpa

Zum Tod von Omar Sharif: Scheich, Steppenreiter, Schiwago

Mit "Lawrence von Arabien" und "Doktor Schiwago" stieg Omar Sharif zum Weltstar auf. Später drehte er B-Movies, wurde Bridge-Weltmeister und verspielte Millionen. Ein Nachruf.

Er kommt aus dem Nichts, eine Erscheinung wie eine Fata Morgana. Peter O’Toole, der sich als Lawrence von Arabien gerade vor dem sicheren Tod durch Verdursten mitten in der Wüste an einen Brunnen gerettet hat, sieht am Horizont zunächst bloß eine Staubwolke. Dann einen flimmernden Strich, der sich schnell nähert, immer größer wird. Es ist eine schwarze Beduinengestalt auf einem Kamel, ein Reiter mit Gewehr in der Hand. „Wer ist das?“, fragt O’Toole seinen Begleiter, der aber nicht mehr antworten kann, weil der Reiter ihn bereits getötet hat. Mit einem präzisen Schuss, wie ein Jäger, der ein Wild erlegt.

Wer ist das, die Frage lässt sich trotzdem beantworten. Es ist Omar Sharif, der mit seinem ersten Auftritt in David Leans Orientwestern „Lawrence von Arabien“ 1962 aus dem Nichts in den Ruhm reitet, hinein in die Unsterblichkeit. Als Sherif Ali, Inbegriff eines edlen wie furchtlosen Arabers, wird er zum engsten Freund des britischen Abenteurers Lawrence und zum Anführer des Aufstands gegen Türken und Deutsche im Ersten Weltkrieg

"Als ich diesen Film machte , dachte ich: Das ist eine verrückte Sache, es gibt keine Mädchen , keine bekannten Schauspieler, nur Männer und keine Handlung , nicht viel Action ", hat der Schauspieler später erzählt. "Aber es wurde ein herausragender Film. Es ist so gut, weil der Regisseur ein brillanter Mann war. Das ist die Wahrheit. David Lean war ein großer, großer Mann. Großartiger Mann."

David Lean liebte ihn

Bis dahin war Omar Sharif, der 1932 in Alexandria als Sohn eines reichen christlichen Holzhändlers unter dem Namen Maechel Shaloub in Alexandria geboren wurde, ein unbekannter Schauspieler gewesen, der eine eigene Schauspielgruppe gegründet hatte und in rund zwanzig ägyptischen Filmen aufgetreten war. „Lawrence“ brachte ihm den Weltruhm und eine Weltkarriere. "Als mich David Lean für den Film aus Ägypten holte, kannte er mich nicht", hat Sharif in einem Interview mit dem "Guardian" gesagt. "Er sagte nur: Ich möchte einen arabischen Schauspieler für diese Rolle. Ich möchte einen echten Araber, der Englisch spricht.. Ich kam nur deshalb in Frage, weil ich die Englische Schule in Kairo besucht hatte. Also rief er mich an, ich kam in die Wüste und er liebte mich. Er mochte mich sogar sehr. Ich war einer der wenigen Schauspieler, die David Lean in seinem ganzen Leben mochte. Normalerweise hasste er Schauspieler."

Mit David Lean, dem Meister des Monumentalkinos, drehte Sharif 1965 dann den noch größeren Historienerfolg "Doktor Schwiwago", diesmal in der Hauptrolle. Als Dr. Jurij Schiwago verkörpert er in der Pasternak-Verfilmung einen Arzt, der inmitten des Furors und der Grauen der Russischen Revolution anständig zu bleiben versucht. Ideologien sind ihm suspekt, Schiwago ist ein Humanist, der in einer unmenschlichen Zeit menschlich bleibt. Seine Liebe zu der von Julie Christie verkörperten Larissa "Lara" Antipowa, die immer wieder von ihm getrennt wird, bildet den Hauptstrang der Handlung. Sharifs Spiel ist pathosfrei und lakonisch, auch deshalb ging "Doktor Schwiwago" als großes Melodram in die Filmgeschichte ein, nicht als Dokument des Kalten Kriegs.

Der schönste Mann der Filmindustrie

Die Dreharbeiten für "Lawrence von Arabien" dauerten zwei Jahre, für die Sharif mit einer eher läppischen Gage von 8000 britischen Pfund entlohnt wurde. Aber er bekam auch einen Vertrag für sieben weitere Hollwoodfilme. Er stieg auf zum internationalen Frauenschwarm und galt bald als schönster Mann der Kinobranche. Nach seiner Scheidung von der ägyptischen Schauspielerin Faten Hamama bekam er das Etikett eines Playboys und rücksichtslosen Verführer aufgeklebt. Dieses Bild eines arabischen Casanovas blieb bestehen, sagte er, "weil ich mir nie die Mühe gemacht habe, es zu leugnen." Nach der gescheiterten Ehe, beteuerte er , "verliebte ich mich nie wieder. Ich war nie wieder verheiratet, lebte nie wieder mit einer Frau zusammen. Okay, ich hatte ein paar sehr kurze Abenteuer. Aber nicht viele, viel weniger als das, was mir zugeschrieben wurde."

Seine Filmografie umfasst knapp 120 Titel, Sharif spielte im Musical „Funny Girl“ mit Barbra Streisand, in Historienfilmen wie „Mayerling“, dem Revolutionsdrama „Che!“ und in Klamotten wie „Frankensteins Spukschloss“. Er verkörperte Mexikaner Nazis, Italiener, Dschingis Khan, Zar Nikolaus II , Kapitän Nemo, Steppenreiter, Schiffsoffiziere und Mafiosi. gespielt. Doch aus den Großproduktionen wurden B-Movies, in den siebziger Jahren begann Sharif, langsam aus dem Weltkino zu verschwinden. Seit 1972/73, so gestand er freimütig, habe er "nur schlechte Filme gemacht. Damit meine ich wirklich schlechte Filme."

Playboy war er nicht wirklich

Der Kosmopolit, der meistens in Hotels in London, Rom oder Paris lebte, arbeitete nun hauptsächlich fürs Fernsehen. 2003 schaffte er in der rührseligen Bestsellerverfilmung „Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran“ ein Comeback. Als Monsieur Ibrahim, ein kleiner Ladenbesitzer im Paris der fünfziger Jahre, freundet er sich mit einem jüdischen Jungen aus der Nachbarschaft an, wird für den Halbwüchsigen zu einem Vaterersatz. Seine Ratschläge lauten, oft näher am Kitsch als an der Kunst: "Dein Herz ist wie ein Vogel im Käfig, aber wenn du tanzt dann wird es befreit und steigt auf zum Himmel" oder "Die Langsamkeit, die ist das Geheimnis des Glücks." Ein Coming-of-Age-Drama als großes Märchen, ein Plädoyer für das Aufeinanderzugehen der Kulturen in einer Zeit, die vom aggressiven Zeitgeist nach dem elften September aufgeladen war. Noch einmal spielte Sharif, mit über 70 Jahren, seine Lieblingsrolle des Versöhners und Vermittlers.

In seinen späten Jahren hatte der Filmstar die Lebensweise eines Exzentrikers angenommen. "Wenn ich nicht filme, gehe ich erst um fünf Uhr morgens schlafen und wache mittags auf. Das Problem ist, dass ich erst am späten Abend esse. Ich kann nicht essen, wenn ich nicht dazu Wein trinke. Und Wein trinken kann ich nicht tagsüber." Sharif war ein leidenschaftlicher Spieler. 1973 stieg er zum Weltmeister im Bridge auf. Er rief sein eigenes Bridge-Team ins Leben, schrieb Bridge-Kolumnen für die "Chicago Tribune", publizierte Bridge-Bücher und brachte ein Bridge-Videospiel mit dem Namen "Omar Sharif on Bridge" heraus, zunächst in einer MS-DOS -Version und später in der Amiga-Version.

Lange lebte er im Hotel

Die Spielerei brachte Sharif aber auch an den Rand des Ruins. Allein im Jahr 1982 verlor er mindestens zehn Millionen Dollar beim Roulette Doch Sharif versicherte: "Ich war nie ein Spieler im eigentlichen Sinn, ich habe nur gespielt, wenn ich allein war, wenn ich keinen Freunde hatte, niemanden, mit dem ich Essen gehen konnte. Ich würde niemals in ein Casino oder einen Spielclub gehen, wenn ich jemanden zum Abendessen hatte ." Im Jahr 2003 wurde er in einem Londoner Casino festgenommen, nachdem er 200 000 Pfund verloren und in einem Gerangel einem Polizisten einen Kopfstoß versetzt hatte.

Seinem Sohn und seinen Enkeln hat Omar Sharif beigebracht, dass keinen Unterschied gibt zwischen den Menschen. Er sah sich genauso als Europäer wie als Araber , wie er irgendetwas ist . "Ich spreche fünf Sprachen, aber ich habe keine Muttersprache", sagte er 2004. Er träume, versicherte er, "in der Sprache des Landes, in dem ich gerade bin". Jetzt ist Omar Sharif im Alter von 83 Jahren in Kairo gestorben, wie seine Agentur am Freitag mitteilte. Bei ihm war vor kurzem die Alzheimer-Krankheit diagnostiziert worden. „Er erlitt einen Herzinfarkt und starb heute Nachmittag in einem Krankenhaus in Kairo“, sagte sein Agent Steve Kenis.

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