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Charmant. So beschreibt Joe Jackson Berlin.

©  John Huba

Sänger Joe Jackson im Gespräch: „Einige Leute müssen von ihrem hohen Ross runter“

Mehr zuhören: Der britische Sänger Joe Jackson über sein neues Album „Fool“, Popstars in Rente und die Ignoranz gegenüber Trump-Wählern.

Mister Jackson, die erste Single auf „Fool“ heißt „Fabulously Absolute“ und wirkt wie ein Protestsong aus der Sicht von Trump- Wählern und Brexit-Befürwortern. Sie sagen, dass Künstler diese Menschen nicht verstehen.

Ja, sie wollen und können sie nicht verstehen. Mich interessiert auch einfach nicht, was irgendwelche Musiker zu politischen Fragen zu sagen haben. Ich wünsche mir, sie wären stattdessen einfach bessere Musiker. Ich sage nicht, dass sie keine Meinung haben dürfen. Aber schauen Sie sich an, was während des letzten Präsidentschaftswahlkampfs in den USA geschehen ist, als Stars wie Madonna Werbung für Hilary Clinton machten. Die Leute sagten nur: Danke für die Show, aber ich wähle, wen ich will. Oder Todd Rundgren, der verkündete, dass Trump- Wähler bei seinen Shows nicht willkommen seien. Das finde ich absolut lächerlich. Jeder, der sich ein Ticket kauft, ist bei meinen Shows willkommen.

Es gibt derzeit viel Unversöhnlichkeit und Aggression in der politischen Diskussion.

Ja, ich habe das Gefühl, dass die Leute sich nur noch anschreien und überhaupt nicht mehr zuhören. Das gilt für beide Lager, wobei es mir bei den Linken fast noch schlimmer zu sein scheint. Wahrscheinlich bekomme ich diesen Eindruck, weil ich in New York und Berlin vor allem von Musikern umgeben bin. Aber es frustriert mich sehr, wenn die Leute sagen: Zwischen New York und L.A. liegt eine Wüste aus Deppen und Rassisten. Hey, das sind eure Mitbürger! Oder zumindest habt ihr sie früher mal so gesehen.

Ähnlich sieht es beim Brexit aus.

Die Parallele zwischen Trump und Brexit wird oft gezogen. Ich sehe das nicht ganz so. Die einzige Ähnlichkeit, die ich erkennen kann: In beiden Fällen hat sich eine Mehrheit – auch wenn sie klein war – anders verhalten, als das Establishment dachte. Es wird Zeit, dass einige Leute von ihrem hohen Ross herunterkommen und ein bisschen zuhören. Doch genau das passiert nicht. Stattdessen höre ich immer mehr: „Sie sind Idioten, Fanatiker, Rassisten.“ Das bin ich wirklich leid. Das ist einfach nur Hass.

Sie sagen, dass Sie es nicht mögen, wenn sich Künstler in die Politik einmischen. Aber genau das machen Sie gerade.

Mehr wird es aber auch nicht. Und es ist immer noch irgendwie schräg. Vor der letzten US-Wahl fragten die Leute, für wen ich stimmen würde. Doch ich bin kein US-Bürger. Mit dieser schönen Ausrede konnte ich die Auseinandersetzung vermeiden. In Großbritannien durfte ich nicht am Referendum teilnehmen. Ich hing dazwischen. Gleichzeitig zahle ich in beiden Ländern Steuern. Besteuerung ohne Repräsentation.

Vor ein paar Jahren sind Sie nach Berlin gezogen. Mögen Sie die Stadt noch?

Berlin ist immer noch charmant. Es verändert sich definitiv, aber die Leute, die darüber besorgt sind, sehen es aus einer anderen Perspektive als ich. Verglichen mit New York und London ist es deutlich lebenswerter. Und es ist hier immer noch einfacher zu rauchen.

„Strange Land“, einer der schönsten Songs des neuen Albums, dreht sich um dieses Gefühl des Zwischen-den-Orten-Hängens. Vermissen Sie es, verwurzelt zu sein?

Ja, manchmal. New York war für eine Weile so etwas wie Heimat, aber es hat sich stark verändert. Wenn man jung ist, denkt man nicht darüber nach. Damals sah ich manchmal eine sehr alte Person auf einer Bank sitzen, die völlig verwirrt und verloren aussah. Langsam beginne ich, diesen Typen zu verstehen.

Derzeit kündigen viele ältere Künstler an, dass sie sich zurückziehen – vor allem von den Bühnen.

Ich hasse das. Es ärgert mich. Ich habe in Berlin ein paar Mal Poster gesehen, auf denen stand „A-ha – die Abschiedstournee“. Ich denke dann immer: Ihr habt entschieden aufzuhören und erwartet, dass alle kommen und dafür zahlen? Da stimmt doch was nicht! Ein paar Jahre später hieß es dann „A-ha – die Akustiktour“. Das fand ich ziemlich witzig. Wenn ich einmal beschließe aufzuhören, werde ich nicht sagen: Lasst uns noch einmal auf Tour gehen und noch mehr Geld machen.

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Wie sieht es mit aktueller Musik aus? Oder hören Sie lieber alte Sachen?

Ich höre die ganze Zeit Musik, die neu für mich ist. Dabei ist es mir völlig egal, ob sie neu oder alt ist. Zum Beispiel das 2017 veröffentlichte Album „Marseille“ des amerikanischen Jazzpianisten Ahmad Jamal. Er ist jetzt 88 Jahre alt. Das ist sehr inspirierend für mich. Ich habe auch viel Musik aus Kolumbien gehört. Sie machen dort sehr gute, freudige Musik. Das ist es, was ich mag. Traurige Musik geht auch, aber es gibt da viele Bands, die einfach nur auf ihre Schuhe starren. Davon bin ich nicht gerade ein Fan.

Was halten Sie von Gruppen wie den Arctic Monkeys? Sie klingen, als seien sie von Ihnen beeinflusst.

Denken Sie? Ich habe einige ihrer Sachen gehört. Es gibt nicht viel Musik, die ich wirklich hasse. Ich hasse Musik nicht. Sie tut dir nicht weh.

Das Gespräch führte Einav Schiff. „Fool“ erscheint bei Ear Music. Am 28. März tritt Jackson im Admiralspalast auf.

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Einav Schiff

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